Wie können wir pazifistische Grundsätze und eine realistische, pragmatische Außen- und Sicherheitspolitik miteinander vereinbaren?
Liebe Frau Reichinnek,
ich schätze Ihre Arbeit. Aber Ihre Lösungen auf den Ukraine-Krieg sind kurzsichtig und nicht nachhaltig? In welcher Welt wollen wir leben, wenn Russland einfach so ein Land überfallen kann und keine großen Konsequenzen fürchten muss? In was für einem Europa wollen wir leben, wenn fast alle Regierungen in der EU außer Orban für eine Aufrüstung der EU einstehen?
In was für einer internationalen Ordnung wollen wir leben, wenn wir tatsächlich den Abzug der US-Soldaten aus Europa begrüßen und damit dessen Konsequenzen?
Und zuletzt: Was für eine Zusammenarbeit und Austausch pflegen Sie und die Partei DIE LINKE mit ukrainischen linken Gruppen, Gewerkschaften und Friedensaktivistinnen? Hören Sie denen zu und was haben Sie dazu zu sagen? Und wenn nein, warum? Ist DIE LINKE ignorant gegenüber den Entwicklungen der osteuropäischen Linken?

Lieber Herr R.
wir sind nicht ignorant gegenüber diesen Entwicklungen und wir stehen auch klar zur Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Wir fordern zudem seit langem, dass es ein europäisches Sicherheitsbündnis geben soll. Was wir aber ablehnen ist eine Aufrüstung, mit der Auslandseinsätze und imperialistische Bestrebungen ermöglicht werden sollen. Diese Position ist seit jeher Teil der linken DNA.
Ich halte den Ansatz, dass ein Kriegsende durch eine diplomatische Lösung erreicht wird, für wesentlich nachhaltiger. Es ist nicht realistisch, dass die Ukraine Russland so nachhaltig schwächt, dass nach einem Zurückdrängen von ukrainischem Territorium kein weiterer Angriff Russlands möglich wäre. Die Ukraine ist trotz Waffenlieferungen seit Monaten in der Defensive. Hinzu kommt nun, dass die USA völlig unzuverlässig sind, was die Außenpolitik betrifft. Aus meiner Sicht macht dies erst Recht eine stärkere europäische Initiative für Friedensverhandlungen nötig.
Herzliche Grüße
Heidi Reichinnek