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Heidi Reichinnek
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Frage von Frank R. •

Werden Sie sich für ein internationales Abkommen einsetzen, das die Entwicklung von größeren KI-Modellen stoppt, bis klar ist wie starke künstliche Intelligenz unter der Kontrolle des Menschen bleibt?

Sehr geehrte Frau Reichinnek,

die immer schnellere Weiterentwicklung der KI birgt erhebliche existentielle Risiken. Ein Aufruf des Center for AI Safety, der von mehr als 600 führenden Experten, darunter den Vorsitzenden der führenden KI-Firmen unterschrieben worden ist, warnt davor, dass unkontrollierte KI ähnlich gefährlich wie Pandemien und Atomkriege sein kann. Der letztjährige Physiknobelpreisträger Geoffrey Hinton warnt ebenfalls davor, dass dem Menschen überlegene KI in den nächsten Jahren entwickelt wird und außer Kontrolle gerät. Ohne internationale Regulierung besteht für jede Firma der Anreiz die Sicherheit über Bord zu werfen, um das nächste Modell schneller auf den Markt zu bringen. Trotz des gescheiterten KI-Gipfels in diesem Februar sollte die EU und insbesondere Deutschland eine diplomatische Vorreiterrolle bei der Aushandlung eines internationalen KI-Moratoriums spielen.

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Antwort von
Die Linke

Lieber Herr R.,

eine Vorreiterrolle Deutschlands und der EU bei der Verhandlung eines internationalen Abkommens über ein Moratorium für starke KI befürworte ich. 

Viel entscheidender ist derzeit aus meiner Sicht jedoch, dass wir alles daran setzen, die akuten Gefahren aus bereits im Einsatz befindlichen KI-Systemen in den Griff zu bekommen. Denn KI-Systeme haben bereits jetzt ein erhebliches Schadenpotenzial für die Gesellschaft, ähnlich einer Pandemie oder einer Atomwaffe. 

So sehen wir z. B. schon heute, dass KI-Systeme dazu genutzt werden, Desinformationen zu generieren und auf großen "sozialen" Medien zu verbreiten und politischen Botschaften durch Chatbots künstlich Reichweite zu verschaffen. Wir sehen eine massive Beschädigung des demokratischen öffentlichen Diskurses, bis hin zur Einflussnahme ausländischer Staaten auf Wahlprozesse, was kürzlich in Rumänien zur Annullierung einer Wahl führte. 

KI-Systeme sind derzeit Machtinstrumente in der Hand einzelner Milliardäre, wie z.B. Elon Musk, die diese für ihren kommerziellen (und politischen) Nutzen optimieren. Das "race to the bottom", das Sie andeuten, hat aus meiner Sicht längst begonnen.

Es braucht daher aus meiner Sicht ganz akut eine kluge und wirksame Regulierung von Künstlicher Intelligenz inklusive einer starken Durchsetzung durch gut ausgestattete Aufsichtsbehörden, in Deutschland, in der EU und am besten weltweit. Die KI-Verordnung der EU ist dafür ein Anfang, aber unzureichend. Zudem müssen in Deutschland umgehend die entsprechenden Aufsichtsstrukturen geschaffen werden, um zumindest die Regulierung, die bereits existiert, umzusetzen.

Künstliche Intelligenz kann einen großen gesellschaftlichen Nutzen haben. Dafür muss sie aber streng am Gemeinwohl orientiert entwickelt und eingesetzt werden. Sie darf nicht ausschließlich in einer kapitalistischen Marktlogik entwickelt werden, die großen Firmen und ihren Eigner:innen nützt und dem Gemeinwohl schadet, wie Sie es andeuten. KI ist schon jetzt ein so mächtiges Werkzeug, dass es nicht der privaten Kontrolle einer einzelnen Person oder eines kleinen Personenkreises unterstehen darf, sondern sie muss der demokratischen Kontrolle unterliegen. Dafür brauchen wir in der EU und weltweit ein wirklich offenen KI-Ökosystem (Open Hardware, Open-Source-Software, Open Data).

Viele Grüße