Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Friedhelm C. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Wieczorek-Zeul,
ich habe Sie gestern im Fernsehen gesehen, wie sie in Indien doch recht große Entwicklungshilfeleistungen seitens der deutschen Regierung ankündigten.
Wie paßt sowas mit der ersten Mondmission der Inder (siehe http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,585657,00.html ) oder mit der Existenz von Global Playern wie dem weltweit größten und -indischen- Stahlkonzern Mittal zusammen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Friedhelm Clausen
Sehr geehrter Herr Clausen,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich kritisch zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Indien äußern.
Wie ich bereits ebenfalls auf /Abgeordnetenwatch/ Frau Hahn geantwortet habe, ist Indien trotz beeindruckender wirtschaftlicher Erfolge in den letzten 15 Jahren weiterhin ein gespaltenes Land mit sehr niedrigem Pro-Kopf-Einkommen. Ungefähr 350 Millionen Menschen dort leben von weniger als einem US-Dollar am Tag, mehr als 700 Millionen von weniger als zwei Dollar. Indien ist damit nach wie vor das Land mit den meisten extrem armen Menschen weltweit.
Während meiner Reise nach Indien konnte ich mir selbst ein Bild von der Armut vor Ort und den extremen Einkommensunterschieden machen. So leben beispielsweise fast 50 % der Bevölkerung in der Metropole Kalkutta unter teils menschenunwürdigen Bedingungen in Slums oder illegalen Siedlungen. Viele davon ohne Adresse und damit ohne bürgerliche Rechte und den Zugang zu Wahlen. Es geht darum, diese Menschen und vor allem ihre Kinder aus der Armut zu befreien und ihnen Zukunftsperspektiven zu schaffen. Daneben bleibt es eine Aufgabe der deutschen Entwicklungszusammenarbeit benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie der Adivasi und Dalit, die bislang weitgehend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen sind, zu unterstützen.
Unsere Entwicklungszusammenarbeit hat dabei auch das Ziel, die indische Regierung selbst zu verstärkten Anstrengungen zur Armutsbekämpfung zu bewegen und die armutsorientierten Kräfte in der Regierung zu unterstützen. Dies habe ich auch bei meinen Gesprächen in Indien wiederholt thematisiert, denn auch ich finde, dass die indische Regierung vor allem in die dringend notwendige Armutsbekämpfung und nicht in Prestigeprojekte wie die von Ihnen genannte Mondmission investieren muss.
Die Bundesregierung verfolgt mit ihrem Engagement in Indien im Übrigen auch die Interessen unseres Landes, denn Indien ist ein stabilisierender Faktor in der Region. Wenn die größte Demokratie der Welt aufgrund sozialer Unruhen wegen der verheerenden Lebensverhältnisse der armen Bevölkerungsschichten sich destabilisiert, wird sich das auch negativ auf die Stabilität seiner schwierigen Nachbarn wie Pakistan, Nepal und Bangladesch und auch China auswirken.
Außerdem ist Indien derzeit neben den USA einer der größten Emittenten von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen. Wenn wir den weltweiten Klimawandel bekämpfen und damit die Zukunft unserer Kinder sicherstellen wollen, müssen wir Indien auf seinem Weg hin zu einer schadstoffarmen Produktion sowie bei der Einführung erneuerbarer Energien unterstützen. Deutschland genießt hierbei mit seinem großen Know-How in diesen Bereichen großes Ansehen ? davon profitieren wir durch besseren Klimaschutz auch in unserem eigenen Land.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Heidemarie Wieczorek-Zeul