Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Matias Leão R. bezüglich Soziale Sicherung
„Damit Frauen nicht mehr arm dran sind“
Sehr geehrte Frau Wieczorek-Zeul!
Auch am letzten Internationalen Frauentag gab es keinen Grund zu jubeln. Vor allem Frauen sind heute zunehmend von Altersarmut betroffen. In einem ver.di TV Beitrag kommt eine Betroffene zu Wort.
Ich bitte Sie höflich freundlicherweise Stellung zu nehmen, wie häufig der unten im Kurzfilm beschriebene Zustand auch für Wiesbaden entspricht und wie solche Missstände gegenüber Sozialversicherten generell abgestellt werden können?
www.verdi.de/themen/rente-soziales/++co++b62bd280-87c3-11e2-a3e1-52540059119e
Mit besten Dank und Grüßen
gez. Hr. Rautenberg
Sehr geehrter Herr Rautenberg,
vielen Dank für Ihren Beitrag und das Interesse an meiner Position zu dem Thema.
In Wiesbaden beziehen etwa 4,6% der über 65jährigen Leistungen der Grundsicherung im Alter oder wegen einer dauernden Erwerbsminderung. Die Dunkelziffer der Bedürftigen wird vermutlich höher sein, da viele Rentner und Rentnerinnen nach einem langen Erwerbsleben es als Scham empfinden, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Weitere knapp 10% haben eine Rente, die nur maximal 54€ über dem Sozialhilfebruttobedarf von etwa 791€ liegen. Damit sind in Wiesbaden etwa 15% der Menschen über 65 direkter oder versteckter Altersarmut ausgesetzt.
Die SPD und ich setzen sich für eine stärkere Bekämpfung der Altersarmut ein. Hierzu sehen wir verschiedene Ansatzpunkte:
Rahmenbedingungen:
Erwerbsarmut ist Altersarmut: Wer jahrzehntelang nur in prekären Beschäftigungen oder/und zu sehr geringen Löhnen gearbeitet hat, wird im Alter automatisch zum Sozialfall. Dem möchten wir durch die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von zunächst 8,5€/Stunde entgegen treten. Auch Leiharbeit und Werkverträge müssen mit Blick auf eine Entgeltgleichheit reguliert werden. Auch der Bereich der Ausbildung und Schulpolitik muss berücksichtigt werden. Niedrige Löhne sind zumeist Folge fehlender oder niedriger Bildungsabschlüsse. Hier gilt es, Chancen und Förderung für alle zu eröffnen.
Konkrete Maßnahmen:
Wer über 30 Beitragsjahre/40 Versicherungsjahre verfügt, soll eine Solidarrente in Höhe von 850€ erhalten. Lebenslange Leistung soll sich auch in der Rente auszahlen, Arbeit und Beiträge soll eine höhere Wertschätzung erfahren.
Gerade für Berufe mit einer hohen Stress- und Körperbelastung wollen wir Brücken ins Alter schlagen, denn ein früherer Renteneintritt führt zu erheblichen Abschlägen bei der Rentenhöhe. Deshalb wollen wir einen abschlagsfreien Zugang zur Erwerbsminderungsrente; den abschlagsfreien Zugang zur Rente nach 45 Versicherungsjahren sowie die Stärkung flexibler Übergangsmodelle (Teilzeitrente etc.). Die Rente mit 67 möchten wir aussetzen, bis mindestens 50% der Menschen zwischen 60 und 64 Jahren ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis haben.
Der spezifisch weiblichen Dimension der Altersarmut (bedingt durch berufliche Auszeiten durch Kindererziehung sowie Diskriminierung am Arbeitsmarkt) möchten wir zum einen durch die Bereitstellung einer guten Betreuungsinfrastruktur (Krippe, Kita, Ganztagsschulen) und zum anderen durch ein Entgeltgleichheitsgesetz begegnen. Ersteres ermöglicht die durchgehende Teilnahme am Erwerbsleben und letzteres soll über gesetzlichen Druck die nach wie vorhandenen Lohnunterschiede trotz gleicher Qualifikation und Leistung ausgleichen. Durch die stärkere Anerkennung der Elternzeiten für vor 1992 geborene Kinder wollen wir gezielt Rentenansprüche der Eltern (und insbesondere der Frauen) verbessern, die damals noch nicht auf eine gute Betreuungsinfrastruktur zurückgreifen konnten.
Ferner möchten wir die private Vorsorge (Riester-Rente) reformieren und die Betriebliche Altersvorsorge stärken.
Mit freundlichen Grüßen
Heidemarie Wieczorek-Zeul