Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Rolf Z. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Wieczorek-Zeul,
ich habe immer ihre Aussagen respektiert und Sie für ihr politisches Engagement aufrichtig bewundert.
Daher wende ich mich direkt an Sie, da Sie als Entwicklungsministerin selbstverständlich mit den wirtschaftspolitischen Zusammenhängen wohl sehr vertraut sind.
In letzter Zeit ist ihr Name oft im Zusammenhang mit Aussagen von WTO, Weltbank, IWF usw gefallen.
Nach meinen Kenntnissen sind doch genau diese genannten Organisationen die Verursacher aller weltwirtschaftlichen Probleme und Ungerechtigkeiten.
(Verschuldung und Abhängigkeit der Entwicklungsländer, skrupellose Ausbeutung der 3. Welt, Preisexplosion bei Lebensmittel, Agraprodukten, Futtermittel, genmanipulierter Soja-Mais, Subventionen und Ökosprit usw.)
Meine erste Frage:
Wie wollen Sie angesichts dieser Tatsachen auf der anstehenden UN-Konferenz bei den derzeitig bestehenden Machtverhältnissen die Interessen der Entwicklungsländer umsetzen und mit welchen Mitteln?
Meine zweite Frage:
Welche Personen aus Politik und Wirtschaft sitzen für die Bundesrpublick in den internationelen Gremien von WTO, IWF und Weltbank?
Werden diese Vertreter gewählt, oder wer bestimmt diese Leute?
Ihnen werden diese Herrschaften doch sicher bekannt sein und mich würden diese Namen sehr interessieren, damit man bei speziellen Fragen auch den richtigen Ansprechpartner hat.
Vielen Dank im Voraus für ihre Bemühungen.
mit freundlichen Grüßen
Rolf Zydeck
Sehr geehrter Herr Zydeck,
vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie mich nach der Welthandelsorganisation, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds fragen.
Man kann die Rolle der internationalen Organisationen kritisch bewerten, sollte jedoch auch ihre Stärken sehen. Die Weltbank ist der wichtigste Geldgeber für Projekte und Programme in der Entwicklungszusammenarbeit. Sie vergibt langfristige Kredite an Entwicklungsländer und unterstützt diese durch Beratung. Der Internationale Währungsfonds fördert die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik und stabile Wechselkurse. Bei Zahlungsbilanzproblemen gewährt sie ihren Mitgliedern Kredite.
Arme Entwicklungsländer bekommen von IWF (Internationaler Währungsfonds) und Weltbank stark subventionierte Kredite. Extrem arme Länder, bei denen die Rückzahlung von Krediten nicht gesichert ist, erhalten nicht rückzahlbare Zuschüsse. Voraussetzung ist, dass diese Länder eine Armutsbekämpfungsstrategie verfolgen. Insofern unterstützen Weltbank und IWF den weltweiten Kampf gegen die Armut.
Weltbank und IWF haben in den 80er und 90er Jahren schwere Fehler gemacht. Sie haben zu stark auf Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung gesetzt und die Rolle des Staates unterbewertet. Seit ich Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit und – damit verbunden – deutsche Gouverneurin der Weltbank bin, habe ich mich mit gleich gesinnten Kolleginnen und Kollegen erfolgreich für ein Umdenken eingesetzt.
Die Welthandelsorganisation (WTO) ist als einzige multilaterale Organisation dafür zuständig, Regeln für den internationalen Handel zu formulieren und eine geregelte, faire multilaterale Handelsordnung durchzusetzen. Vorrangiges Ziel der WTO ist es, Handelshemmnisse wie etwa Zölle, Exportsubventionen oder andere handelsverzerrende Maßnahmen abzubauen. Zurzeit findet mit der so genannten Doha-Entwicklungsagenda eine WTO-Verhandlungsrunde statt, in der es explizit um die Interessen der Entwicklungsländer geht. Ich setze mich dafür ein, dass diese Interessen zum Tragen kommen.
Im internationalen Handelssystem sind wir mit starken Ungleichgewichten konfrontiert: Die 2,7 Milliarden Menschen (das ist die Hälfte der Menschheit), die von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben, stehen vor doppelt so hohen Handelshindernissen und Handelsbarrieren wie die Menschen in den Industrieländern. Dazu kommt, dass die Industrieländer über Jahrzehnte mit ihren Agrar-Exportsubventionen die Weltmärkte verzerrt und damit in vielen Ländern die Ernährungsgrundlagen unterhöhlt haben. Das wird in der jetzigen Nahrungsmittelkrise offenkundig. Diese andauernde Diskriminierung von Entwicklungsländern muss endlich beseitigt werden. Solche Ungleichheiten müssen verschwinden, wollen wir langfristig zu Entwicklung und Frieden beitragen.
Sie sprechen in Ihrer Mail eine anstehende UN-Konferenz an. In diesem Jahr werden noch mehrere Konferenzen der Vereinten Nationen stattfinden, unter anderem zu den Millenniums-Entwicklungszielen, zur Entwicklung in Afrika und zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit. Die gewaltigen globalen Herausforderungen und unsere anspruchsvollen entwicklungspolitischen Ziele erfordern ein gemeinsames Vorgehen. Deshalb werden wir auf diesen Konferenzen auch mit den großen multilateralen Organisationen zusammenarbeiten.
Schließlich fragen Sie, wer die Bundesrepublik in den genannten internationalen Organisationen vertritt. Wie erwähnt, bin ich als Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit gleichzeitig die deutsche Gouverneurin der Weltbank. Im Amt des Gouverneurs des internationalen Währungsfonds wechseln sich Finanzminister und Bundesbank-Präsident ab. Für das Tagesgeschäft im Aufsichtsrat der Washingtoner Finanzinstitutionen sind von der Bundesregierung entsandte
Exekutivdirektoren zuständig.
Deutschland hat als WTO-Mitglied Sitz und Stimme in den Gremien und Ausschüssen der WTO. Federführend ist insoweit das Bundeswirtschaftsministerium. Die Vertretung am Sitz der WTO in Genf erfolgt über die Ständige Vertretung Deutschlands. In den WTO‑Verhandlungen vertritt die EU die Interessen der europäischen Mitglieds-
staaten.
Detaillierte Hintergrundinformationen zur multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere zur Weltbankgruppe, erhalten Sie auf der Internetseite des Ministeriums unter www.bmz.de.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Heidemarie Wieczorek-Zeul