Frage an Hartwig Fischer von Herbert H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Fischer!
Sellafield 1957, Forsmark 2007, Tschernobyl 1986, Ksklo 2008,Tricasti 2008, Romans-sur-Isere 2008, Pannenserien in Brunsbüttel, in Krümmel und in Asse II.
Wie stehen Sie ob dieser Gefahren zu Atomkraft?
Mit freundlichen Grüssen
Herbert Haase
Sehr geehrter Herr Haase,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Themas Sicherheit im Energiesektor. Ich verstehe Ihre Bedenken bezüglich der Sicherheit in der Atompolitik anlässlich der von Ihnen angeführten Pannenserien bei deutschen und ausländischen Atomreaktoren. Ich möchte jedoch in diesem Zusammenhang ein wenig ausholen, um Ihnen die Gesamtproblematik der Energiepolitik noch einmal vor Augen zu führen. Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion sieht in der Energieversorgung eine Kernaufgabe von Staat und Politik in Deutschland. Nicht nur muss Energie zu günstigen Marktpreisen für die deutschen Bundesbürger erhältlich sein, auch müssen Umweltschäden vermieden und eine sichere Energiewirtschaft garantiert werden. Deswegen richtet sich unsere Energiepolitik an einem dreidimensionalen Koordinatensystem aus. Neben Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit ist uns sichere und umweltverträgliche Energieversorgung wichtig. Bei eindimensionalem Vorgehen käme es zu Verzerrungen im Gesamtsystem. Die von uns unterstützte gleichmäßige Entwicklung entlang der drei Achsen wird durch vier energiepolitische Querschnittsaufgaben besonders gefördert: Mehr Wettbewerb, mehr Energieeffizienz, intensivierte Energieforschung und zielgerichtete Energieaußenpolitik. Überdies erfordert unser Koordinatensystemeinen breiten Energiemix: Kein Energieträger wird allen Variablen gleichzeitig gerecht, aber jeder einzelne hat Vorzüge gegenüber den anderen.
Erneuerbare Energien haben das größte Zukunftspotenzial. Sie sind klimaneutral und bieten sichere, inländische Energiequellen. Unser Ziel ist der gezielte, wirtschaftlich optimale Ausbau regenerativer Energien, auch weil sie dank des hohen Exportniveaus auf dem Weg zu einer Schlüsselbranche der deutschen Wirtschaft sind. Inzwischen arbeiten mehr als 200.000 Menschen in diesem Sektor, Tendenz steigend. Der Ausbau schreitet schneller voran als prognostiziert. Die Zielvorgabe des Koalitionsvertrags, den Anteil an der Stromerzeugung bis 2010 auf mindestens 12,5% zu steigern, wird schon in diesem Jahr überschritten. Bis 2020 wollen wir einen Anteil von 30% am Stromverbrauch und von 16 bis 20% am Gesamtenergieverbrauch erreichen. Dazu muss die Politik die positive Marktentwicklung sorgfältig flankieren. Es gilt Antworten auf sehr unterschiedlich gelagerte Problemstellungen der einzelnen Energieträger zu finden.
Die Kernkraft bleibt jedoch in der Stromerzeugung, und hierbei insbesondere in der Grundlast, der wichtigste Energieträger. Aufgrund ihrer CO2-Freiheit werden in Deutschland jährlich 150 Millionen Tonnen Kohlendioxidausstoß eingespart, was der jährlichen Emission im Straßenverkehr entspricht. Würde die Kernkraft durch Erneuerbare Energien vollständig ersetzt, entsteht per Saldo keine Emissionseinsparung. Realistische Substitutionsmöglichkeiten sind derzeit nicht gegeben: Wind- und Solarenergie sind noch nicht grundlastfähig. Erdgas ist für die Grundlast zu knapp und teuer sowie mit relativ hohen Importrisiken verbunden. Wasserkraft und Biomasse reichen für den Strombedarf nicht aus. Das Weiterlaufen älterer Kohlekraftwerke erhöht den CO2-Ausstoß.
Nach jetziger Rechtslage sollen bis 2021 alle 17 Kernkraftwerke vom Netz und 21.000 Megawatt Leistung ersetzt werden. Mit dieser Ausstiegsstrategie ist Deutschland international isoliert. Die Bundesregierung wirbt und arbeitet auf internationaler Bühne für verbindliche, ambitionierte Klimaschutzziele. Befürworter des Kernenergieausstiegs können aber nicht die Frage beantworten, wie dies ohne Kernkraft möglich sein soll. Hält Deutschland an der Kernenergie fest, so wird bis 2020 mindestens 60% des inländischen Stroms CO2-frei produziert. Auch aufgrund von Versorgungssicherheit, Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit der Stromversorgung können wir auf Kernenergie nicht verzichten. Jede Verknappung wirkt preistreibend, jegliche vorzeitige Stilllegung belastet die Volkswirtschaft mit Milliardenbeträgen.
Absolute Grundvoraussetzung ist die Anlagensicherheit. Nur unter dieser Prämisse spricht sich die Unionsfraktion für eine Laufzeitverlängerung aus, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Die Kernkraftwerksbetreiber sind für ihre Zukunft mitverantwortlich. Neben unbedingter Einhaltung aller Sicherheitsstandards müssen sie deutlich machen, dass durch die Laufzeitverlängerung die Stromherstellung erheblich verbilligt wird. Die daraus erwachsende Zusatzrendite soll zur Finanzierung von mehr Energieeffizienz und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Der Erhalt CO2-freier Stromerzeugung und die Finanzierung zusätzlicher Klimaschutzmaßnahmen bedeuten für den Klimaschutz eine doppelte Rendite.
Deutschland verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Kerntechnik. Unsere Kraftwerke sind sicher, unsere Ingenieurleistungen weltweit gefragt. Auch bei der Sicherheits- und Endlagerforschung sind wir weltweit führend. Diese Erfahrung und das Know how drohen verloren zu gehen, wenn am Ausstieg festgehalten wird. Daher setzen sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ich mich weiterhin für den Erhalt der Kernenergie ein.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort meine Meinung zur Atompolitik verdeutlicht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hartwig Fischer, MdB