Frage an Hartmut Schauerte von Klaus S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Schauerte,
können Sie hier eine Stellungnahme zu der nachstehenden Meldung geben ?
Deutschland hat im vergangenen Jahr 66 Millionen Euro aus der EU-Kasse verloren. Berlin versäumte es schlichtweg, die Fördermittel im vorgeschriebenen Zeitraum zu beantragen - jetzt sind sie endgültig verfallen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,562682,00.html
Wenn das denn so stimmen sollte, dann müssen doch alle Verantwortlichen in Berlin völlig "von der Rolle" sein - oder sehe ich das falsch ?
Sie sind doch im Wirtschaftsministerium - was machen Sie da eigentlich ?
Völlig unverständlich bei der miesen Situation, welche in Deutschland herrscht.
Wacht auf in Berlin - wacht endlich auf.
MFG
-Steinmetz-
Sehr geehrter Herr Steinmetz,
der Spiegel-Artikel, der behauptet, Deutschland lasse 66 Mio. EUR an Fördergeldern "verfallen", bezieht sich offenbar auf einen Bericht der EU-Kommission vom Mai 2008 ("Analysis of the budgetary implementation of the Structural and Cohesion Funds in 2007").
Am Ende dieses Berichts listet die Kommission auf, welche Mitgliedstaaten für welche Programme nicht alle Mittel abgerufen haben.
Deutschland hat in der Tat rund 66 Mio. EUR nicht abgerufen (von den Mitteln aus dem Jahr 2005, d.h. Mittelverfall Ende 2007). Hiervon betrifft ein sehr großer Betrag den Europäischen Sozialfonds (ESF). Im Bereich des ESF sind im Bundesland Sachsen fast 44 Mio. EUR nicht rechtzeitig abgerufen worden. Ein weiterer großer Betrag von rund 10 Mio. EUR betrifft den EU-Fischereifonds. Die verbleibenden nicht abgerufenen Beträge von insgesamt rund 12 Mio. EUR betreffen den Fond für regionale Entwicklung (EFRE); verteilt auf 5 Bundesländer. In Deutschland werden die Mittel aus den EU-Strukturfonds nämlich zum größten Teil von den Bundesländern verwaltet.
Zum Hintergrund des Mittelverfalls:
Im Fall des Spiegel-Artikels handelt es sich um nicht in Anspruch genommene Gelder aus dem Bereich der EU-Strukturfondsförderung. In diesem Bereich gilt gemäß Art. 31 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1260/1999 die sogenannte "n+2" Regelung, nach welcher die in einem bestimmten Haushaltsjahr "n" veranschlagten Mittel nach Ablauf von zwei weiteren Jahren verfallen. Diese Regelung soll gewährleisten, dass im Rahmen der Strukturfonds geförderte Projekte zügig realisiert werden und keine unverhältnismäßige Diskrepanz zwischen Haushaltsplanung und tatsächlicher Mittelauszahlung auftritt.
Bei dem Verfall von Haushaltsmitteln am Ende eines Haushaltsjahres oder einer Finanzplanperiode handelt es sich grundsätzlich um einen haushaltswirtschaftlich durchaus üblichen Vorgang, der in der Regel nicht auf sorgloses oder gar schuldhaft fahrlässiges Verhalten zurückzuführen ist. Vielmehr resultiert dieser scheinbare Verzicht in der Regel aus dem Umstand, dass bei der Haushaltsplanung nicht immer alle Umstände vorhersehbar sind, die das tatsächliche Ausgabeverhalten beeinflussen. Die Gründe dafür sind vielfältig, die Bandbreite reicht von einfachen verwaltungstechnischen Problemen bis zu politisch bedeutsamen Hindernissen.
Soweit Mittel aus den EU-Strukturfonds in Anspruch genommen werden, ist zu berücksichtigen, dass die zu fördernden Projekte in der Regel vom beanspruchenden Mitgliedstaat bzw. einem privaten Dritten "kofinanziert" werden müssen. Das bedeutet, dass die EU also nur eine anteilige Beteiligung vorsieht und die restlichen Mittel vom Fördernehmer aufgebracht werden müssen. So scheitert die Realisierung derartiger Projekte nicht selten daran, dass der nationale Haushaltsgesetzgeber bzw. ein privater Investor den erforderlichen Finanzierungsbeitrag nicht zur Verfügung stellen kann. In anderen Fällen wird von einer Inanspruchnahme von EU-Fördermittel abgesehen, weil sich Projekte aus technischen Gründen nicht realisieren lassen, aufgrund veränderter politischer Prioritätensetzung nicht weiterverfolgt werden oder bei der Antragstellung Voraussetzungen angenommen wurden, die sich später unvorhergesehen als unzutreffend herausstellen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen Ihre Frage beantwortet zu haben. Manchmal ist es auch besser, wenn Steuermittel nicht ausgegeben werden, als wenn man schlechte Maßnahmen am Jahresende nur noch schnell finanziert.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Ihr Hartmut Schauerte MdB