Frage an Hartmut Koschyk von Christoph F. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Koschyk,
die Regierung plant eine Gesetzesänderung zu den Bewertungsreserven der Lebensversicherungen. Ich hoffe dass dieses Gesetz keine Mehrheit findet da dadurch ausschliesslich die ohnehin reichen Lebensversicherungsgesellschaften noch reicher werden. Die Verbraucher die eine Lebensversicherung abgeschlossen haben verlieren teilweise viel Geld, Wie werden sie sich bei der Abstimmung verhalten? Falls dieses Gesetz beschlossen wird, welche Möglichkeiten besitze ich dagegen vorzugehen. Kann ich dort irgendwo Beschwerde einlegen oder klagen? Falls das Gesetz beschlossen wird werde ich keine weiteren Lebensversicherungen mehr abschliessen und auch sämtliche Verwandte informieren dies tunlichst zu unterlassen.
Sehr geehrter Herr Fritz,
über viele Jahrzehnte hat sich die Lebensversicherung als ein wichtiges Instrument zur Altersvorsorge bewährt. Wir wollen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Es gab Ende 2012 in Deutschland etwa 88 Millionen Lebensversicherungsverträge, die oft Laufzeiten von 20 und mehr Jahren haben. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, dass alle Versicherungsnehmer die ihnen zugesagten Leistungen aus Lebensversicherungsverträgen verlässlich erhalten.
Die aktuelle Diskussion hat viele Verbraucher, wie auch Sie selbst, verunsichert. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, Sie über die Hintergründe der Neuregelung der Beteiligung von Versicherten an den Bewertungsreserven von Lebensversicherungen zu informieren.
Der Auszahlungsbetrag eines Lebensversicherungsvertrages setzt sich aus drei Elementen zusammen:
die bei Vertragsabschluss garantierte Leistung,
die Überschussbeteiligung einschließlich des erst zum Vertragsende feststehenden Anteils am Schlussgewinn und
die Beteiligung an den so genannten Bewertungsreserven
In diesem Zusammenhang ist wichtig, zu wissen, dass Versicherte erst seit 2008 überhaupt an den Bewertungsreserven beteiligt werden. Damals hat der Deutsche Bundestag das Versicherungsvertragsgesetz zugunsten der Versicherten entsprechend geändert. Wer vor 2008 eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, konnte bei Vertragsabschluss nicht mit einer späteren Auszahlung der Bewertungsreserven rechnen und kann sich auch heute nicht darauf berufen.
Bewertungsreserven auf Anleihen sind im Prinzip Buchgewinne, denen keine realen Werte gegenüberstehen. Das von den Versicherten eingezahlte Geld legt das Versicherungsunternehmen zum Beispiel in sicheren Bundesanleihen an. Bewertungsreserven entstehen, wenn der Preis für eine solche Bundesanleihe im Bestand des Versicherungsunternehmens am Markt über den Preis steigt, zu dem das Versicherungsunternehmen diese Anleihe ursprünglich erworben hat. Bei festverzinslichen Wertpapieren wie Bundesanleihen entstehen Bewertungsreserven insbesondere in Marktsituationen wie der augenblicklichen Niedrigzinsphase. Der Grund dafür ist, dass einige Wertpapiere vor langer Zeit mit einem wesentlich höheren Zinssatz ausgegeben wurden.
Würden die gesetzlichen Regelungen aus dem Jahr 2008 auch in der jetzigen Niedrigzinsphase unverändert beibehalten, würde dies dazu führen, dass diejenigen Versicherten, deren Verträge aktuell fällig werden und die einen deutlich höheren Garantiezins erhalten, auch noch verhältnismäßig hohe Bewertungsreserven ausgezahlt bekämen. Dies würde aber zulasten derjenigen Versicherten gehen, deren Verträge erst in den nächsten Jahren oder noch später fällig werden. Da die Preissteigerung bei den Anleihen nur vorübergehend ist und nur "auf dem Papier" besteht, müssten diese Zahlungen faktisch aus dem Kapitalbestand aller Versicherten erbracht werden und gingen zu Lasten derer, deren Verträge später zur Auszahlung kommen werden.
Im Koalitionsvertrag haben wir daher gemeinsam mit unserem Koalitionspartner festgelegt: „Wir wollen Lösungsvorschläge zum Umgang mit den Folgen eines langanhaltenden Niedrigzinsumfeldes erarbeiten und generationengerecht im Interesse der Versichertengemeinschaft geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Risikotragfähigkeit und Stabilität der Lebensversicherungen treffen.“
Es geht darum, die Ansprüche aller Versicherten sicherzustellen. Daher werden solche Maßnahmen ergriffen, die im Interesse und zum Schutz der Ansprüche der Versicherten sind. Und dabei gilt es darauf zu achten, dass diese Maßnahmen einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen heute ausscheidender und in der Versichertengemeinschaft verbleibender Versicherungsnehmer darstellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Versicherungsnehmer auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten angemessene Erträge aus ihren Lebensversicherungen erhalten. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, unsachgemäße Effekte in der Beteiligung an den Bewertungsreserven zu begrenzen. Es gilt zudem die Stabilität und Risikotragfähigkeit der Versicherer zu stärken. Sie ist Voraussetzung für die langfristige Gewährleistung der den Versicherungsnehmern gegebenen Garantien.
Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass Bewertungsreserven, die für die Sicherstellung des Garantiezinses für alle Versicherten benötigt werden, in der Versichertengemeinschaft verbleiben. Dies gilt ausdrücklich nur für Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren, weil diese – über die Laufzeit des Wertpapieres betrachtet – immer nur vorübergehenden Charakter haben. Die Regeln zur Beteiligung der ausscheidenden Versicherten an Bewertungsreserven aus Aktien und Immobilien wird nicht verändert.
Die Neuregelung zu den Bewertungsreserven ist eingebettet in ein Maßnahmenpaket, bei dem Versicherungsunternehmen, Anteilseigner (Aktionäre) und Versicherungsvertrieb einen angemessenen Beitrag leisten sollen. Der Gesetzentwurf sieht hierzu insbesondere vor:
Die Lebensversicherungsunternehmen müssen ihre Kunden stärker als bisher am Risikoüberschuss beteiligen. „Risikoüberschüsse“ entstehen im Wesentlichen aus einer vorsichtigen Kalkulation der Sterblichkeit der Versicherten.
Die Unternehmen und ihre Manager müssen sich noch intensiver mit ihrer Risikosituation auseinander setzen. Die Aufsicht erhält erweiterte Eingriffsbefugnisse gegenüber den Unternehmen. Ziel dieser Maßnahmen ist eine hohe Verlässlichkeit der künftigen Auszahlungen der Lebensversicherer an ihre Kunden.
Die Aktionäre der Unternehmen erhalten keine oder geringere Dividenden, wenn Maßnahmen zur Sicherung der den Kunden garantierten Leistungen zu ergreifen
sind.
Die Unternehmen werden zu mehr Kostentransparenz verpflichtet und zu Kostensenkungen angehalten – vor allem im Vertrieb. Der Gesetzentwurf sieht ferner
vor, dass ausschließlich für Neuverträge ab dem 1. Januar 2015 der Garantiezins auf 1,25 % abgesenkt wird. Wie in den vergangenen Jahrzehnten muss der Garantiezins auch in Zukunft das allgemeine Zinsniveau berücksichtigen. Würde der Garantiezins zu hoch angesetzt, müssten die Versicherer einen zu großen Anteil der Kundengelder zur Absicherung der Garantie einsetzen, was im Ergebnis sogar zu einer geringeren Ausschüttung an die Kunden führen könnte.
Abschließend möchte ich hinzufügen, dass der Gesetzentwurf im Einklang mit entsprechenden Empfehlungen steht, die der Internationale Währungsfonds noch im Mai 2014 an Deutschland ausgesprochen hat. Es greift zudem die grundlegende Analyse der Deutschen Bundesbank in ihrem Finanzmarktstabilitätsbericht 2013 auf.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hartmut Koschyk