Harald Wolf
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Frage von Reinhold H. •

Frage an Harald Wolf von Reinhold H. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Wolf,

alles was man in Programmen und auf den Plakaten aller Parteien liest sind Forderungen an Dritte, Ideen werden geäußert ohne das Geld dafür zu haben und das Verhalten aller Parteien und seiner Vertreter geht am Kern des Hauptproblems unserer Gesellschaft völlig vorbei. Ich als Unternehmer muss jeden Tag wie ein ordentlicher Kaufmann handeln, wenn ich Schulden mache, dann stehe ich persönlich dafür gerade, ich muss mich jeden Tag im Wettbewerb bewähren. Die Politik hat es geschafft, allein in Berlin, 60 Mrd. € Schulden aufzuhäufen, ohne das irgend jemand eine Vorstellung davon hat wie man diese Summe je wieder tilgen will. "Sparen" bedeutet in der Regel, dass man nur weniger Geld ausgibt (was man ja auch nicht hat), die Zinslasten für Schulden der Haushalte steigen ständig. Im nächsten Berliner Haushalts-Etat will man sich wieder fast 2 Mrd. Mehrausgaben genehmigen. Unbegreiflich.

Es gibt kluge Menschen, die weltweite Erfahrungen für Lösungsansätze aufgreifen (z.B. Dänemark für Arbeit, Holland für Schule, Neuseeland für ein Pleite-Land), ich empfehle mal die Lektüre des Buches "Deutschland, träume weiter" von Günter Ederer. Es wird Poltikern nicht gefallen, weil sie den Spiegel vorgehalten bekommen. Ich habe auch einen Vorschlag, der unsere Abgeordneten fordern würde. Wie wäre es mit einer Ergänzung des Berliner AbgG, die jedem Landtagsabgeordneten die steuerfreie Kostenpauschale so lange streicht, bis ein ausgeglichener Landesetat vorgelegt wird. Kann doch die Linke auch tun? Das würde endlich zu der längst überfälligen Diskussion führen, über das was sich unsere Stadt in Zukunft noch leisten kann, ohne ständig neue Schulden zu machen. Übrigens: diese Frage stelle ich auch allen anderen Spitzenkandidaten.

Freundliche Grüße
R.Hartwig

Harald Wolf
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hartwig,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage bzw. ihren Vorschlag, zu dem Sie eine Positionierung wünschen.

Die hohe Verschuldung von Staaten, Ländern und Kommunen ist in der Tat ein massives Problem. Einnahmen und Ausgaben sind vielerorts weit auseinander gedriftet. Soweit es den Bund betrifft, ist dies vollständig hausgemacht, denn der Bund hat die Steuerhoheit. Bei Ländern und Kommunen sieht es durchaus anders aus. Sie haben wesentlich eingeschränktere Möglichkeiten der Einnahmen- und Ausgabensteuerung, da die Mehrzahl der Steuern und Abgaben vom Bund festgelegt werden. Aus den Steuerreformen der letzten Jahre sind Ländern und Kommunen erhebliche Defizite erwachsen, ohne daß sich ihre gesetzlichen Aufgaben deswegen verringert hätten. Allein durch die rot-grünen Steuerreformen summieren sich für Berlin auf Steuermindereinnahmen von 1,5 Mrd. € .

Natürlich gibt es immer wieder sinnlos aufgeblähte Großprojekte, Steuerverschwendung und auch Wahlgeschenke. Ein genauerer Blick zeigt aber, daß dies nicht die Wurzel des Problems ist. Im Kern stimmt die Systematik nicht. Kleinere und mittlere Einkommen werden wesentlich stärker belastet durch direkte und indirekte Besteuerung als große Einkommen und Vermögen. Auch die Einkommensarten sind nicht gleichermaßen gerecht belastet. Einsparpotentiale von Ländern und Kommunen haben, wenn man die politische Bewertung einmal aussen vor läßt, spätestens da ihre Grenzen, wo es gesetzliche Ansprüche gibt, etwa im Bereich der Sozialtransfers.

Hinzu kommt: "Arm und Reich driften in Deutschland immer weiter auseinander. Das ist das zentrale Ergebnis einer neuen Studie des DIW Berlin zur Einkommensverteilung in Deutschland auf Basis von Daten des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP). Die Studie zeigt deutlich, dass nicht nur die Anzahl Ärmerer und Reicherer immer weiter wächst - seit zehn Jahren werden ärmere Haushalte auch immer ärmer. " So schreibt das DIW 2010.
"Im Jahr 2007 lag das Arbeitnehmerentgelt in der Summe bei 1 181,0 Mrd. Euro und damit um gut 39 % höher als im Jahr 1991 (847,0 Mrd. Euro). Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen haben sich in diesem Zeitraum mit + 86 % auf 643,2 Mrd. Euro im Jahr 2007 (1991: 345,6 Mrd. Euro) deutlich stärker erhöht. Bis zum Jahr 2003 haben sich Arbeitnehmerentgelt und Unternehmens- und Vermögenseinkommen weitgehend im Gleichklang entwickelt, in den letzten vier Jahren ist die Schere dann deutlich zugunsten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen auseinandergegangen. Dies spiegelt sich auch im Absinken der Lohnquote, dem relativen Anteil des Arbeitnehmerentgeltes am Volkseinkommen, von 70,8 % im Jahr 2003 auf jetzt 64,7 % wider." (Statistisches Bundesamt 2008)

Nun kann mal herzlich über Sinn und Unsinn einzelner Subventionen und Transferzahlungen diskutieren. Am Ende bleibt die Tatsache, daß erstens das Volksvermögen gemessen am BIP insgesamt immer mehr steigt, sich auf immer weniger Menschen konzentriert, gleichzeitig aber auch die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zunimmt.

Im Kern muss die Frage beantwortet werden, wie man zu annähernd ausgeglichenen Haushalten kommt. Ausgabenkürzungen führen zur weiterer Verarmung, zur Vernachlässigung der öffentlichen Infrastrukturen und zum Abwürgen der Binnenkonjunktur. Daher kann ein Ausgleich im Wesentlichen nur über eine verbesserte Einnahmesituation erzielt werden. Die Wiedereinführung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer sowie eine Finanztransaktionssteuer wären erste Schritte in diese Richtung. Allein diese beiden Maßnahmen brächten jährlich bis zu ca. 60 Mrd. € mehr in die Kassen.

Die Vorlage eines ausgeglichenen Landesetats mit den Bezügen der Abgeordneten zu verbinden, halte ich für grundsätzlich falsch. Die Bezüge der Abgeordneten in Berlin sind im Ländervergleich schon an der vorletzten Stelle. Es macht keinen Sinn hier noch weiter zu kürzen. Damit wäre die Unabhängigkeit der Abgeordneten gefährdet, denn dies sollen Diäten in aller erster Linie sicherstellen: Abgeordnete sollen unbestechlich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Wolf

Im Auftrag von Senator Wolf