Frage an Harald Leibrecht von SIEGFRIED W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Leibrecht,
wie stehen Sie zum Diskussionsentwurf "Verhaltenskodex für Abgeordnete des Deutschen Bundestages" Ihrer Abgeordnetenkollegen Gerhard Schick und Marco Bülow?
Werden Sie diesen unterstützen, ignorieren oder ablehnen?
Und warum?
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Weißschuh
Sehr geehrter Herr Weißschuh,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum „Verhaltenskodex für Abgeordnete“. Dieses Thema ist sehr wichtig. Der Diskussionsentwurf von Herrn Bülow und Herrn Schick klingt zunächst interessant.
Ich unterstütze grundsätzlich die Forderung nach mehr Transparenz. Die Wählerinnen und Wähler wollen wissen, wen sie wählen. Sie haben ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, für was sich die Abgeordneten neben der Wahrnehmung ihres Mandats einsetzen und ob diese Tätigkeiten möglicherweise in einem Konflikt zum Mandat stehen. Die Wählerinnen und Wähler brauchen bestimmte Grundinformationen über den politischen, beruflichen und persönlichen Hintergrund des Abgeordneten. Abgeordnete stehen in besonderer Weise unter öffentlicher Beobachtung und zu Recht müssen besondere Maßstäbe angelegt werden. Es hat sich jedoch bei allen Vorfällen der vergangenen Jahre, wo Abgeordnete durch tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten aufgefallen sind, gezeigt, dass die geltenden Verhaltensregeln ein breites Spektrum bieten, um diese Fälle angemessen zu erfassen. Kein Fehlverhalten eines Abgeordneten blieb ohne gravierende Konsequenzen. Darüber hinaus muss der Abgeordnete etwaige Vorwürfe gegen ihn stets in vollem Umfang vor der Öffentlichkeit rechtfertigen. Weiterhin gibt es keinen Grund, wegen des Fehlverhaltens einzelner Abgeordneter alle unter Generalverdacht zu stellen.
Die FDP-Bundestagsfraktion ist davon überzeugt, dass Abgeordnete die Möglichkeit haben müssen, neben dem Mandat ihren Beruf weiter ausüben zu können. Viele Abgeordnete scheiden nach nur einer Legislaturperiode aus dem Deutschen Bundestag aus und müssen dann den Wiedereinstieg in ihren Beruf finden. Bei Freiberuflern und Angestellten in der freien Wirtschaft ist dies teilweise schwierig. Eine Einschränkung von Nebentätigkeiten oder einer anschließenden Tätigkeit kann in der Konsequenz dazu führen, dass sich weniger Freiberufler für eine Kandidatur für den Deutschen Bundestag entscheiden. Nur so ist jedoch gewährleistet, dass der Bundestag einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbildet.
Für freiberuflich und selbständig tätige Abgeordnete entsteht zudem ein besonderes Problem. Bei ihnen würden durch eine umfangreiche Offenlegung von Einkünften aus unternehmerischer oder freiberuflicher Tätigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und Verschwiegenheitspflichten verletzt. Zu beachten ist darüber hinaus der Schutz der Grundrechte Dritter. Ehepartner, Geschäftspartner und Mitgesellschafter der Abgeordneten wären von der Offenlegung in gleicher Weise betroffen. Auch über sie erhielte die Öffentlichkeit Informationen.
Zwar unterstütze ich die Forderung nach mehr Transparenz, jedoch gibt es Grenzen. Die Initiative von Herrn Schick und Herrn Bülow geht mir an verschiedenen Punkten zu weit. Neben den angesprochenen Bedenken bezüglich des Schutzes der Daten Dritter, sehe ich auch den im Verhaltenskodex vorgesehenen dreijährigen Berufsverzicht kritisch. Viele der von den Kollegen angesprochenen Punkte werden bereits durch bestehende Regelungen abgedeckt. Der Deutsche Bundestag hat außerdem jüngst beschlossen, dass Abgeordnete Nebenverdienste noch detaillierter offen legen müssen. Damit wird die Transparenz künftig weiter erhöht.
Aus den genannten Gründen werde ich den „Verhaltenskodex für Abgeordnete des Deutschen Bundestages“ nicht unterzeichnen.
Mit freundlichen Grüßen
Harald Leibrecht, MdB