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Harald Leibrecht
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Frage von Thomas M. •

Frage an Harald Leibrecht von Thomas M. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Leibrecht,

vielen Dank für Ihre Antwort. Leider lassen sie kein schlüssiges Konzept für einen nachhaltigen Umbau der Energiebranche erkennen. Ihre Ansätze beruhen leider nicht mehr dem Stand der Technik und Forschung.

[1] berichtet, dass Deutschland selbst 2011 nach Abschalten zahlreicher Atommeiler noch Strom exportierte. Mit einem weiteren Ausbau der regenerativen Energien (Wind-, Solarkraft, Geothermie und Biomasse) sind auch die bestehenden Kapazitäten noch zu ersetzen.

Sie sprechen davon, dass "der Strom bezahlbar bleiben" soll. Wie soll dies unter den genannten Voraussetzungen [2] gelingen, wenn Kohlestrom immer teurer wird? Beziffern Sie bitte die laufenden Kosten eines Onshore-Windrades?

Um die Spitzenlast abfangen zu können, sind Gaskraftwerke notwendig. Kohlekraftwerke verfügen über eine hohe Latenzzeit. Die von Ihnen angesprochenen Optimierungsmöglichkeiten des Wirkungsgrades gelten nur für völlig veraltete Kraftwerke, deren Leistung durch Effizienz- und damit auch Produktivitätsoptimierungen beim jeweiligen Verbraucher kompensierbar sind.

Die CCS-Technologie reduziert durch die energieintensive Abscheidung den Wirkungsgrad eines Kraftwerkes deutlich und ist nach einer Studie des BUND [3] in Süddeutschland auch nur unzureichend anwendbar, da notwendige Lagerstättenkapazitäten fehlen. Im Bereich von größeren Lagerstätten (Nordsee) besteht die Möglichkeit des Ausbaus der Windenergie.

Schade, dass die FDP ihr politisches Schicksal so sehr mit der Großkraftwerkstechnik verknüpft. Technische und wirtschaftliche Aspekte sprechen gegen diese Technik.

Abschließend noch eine Frage:
Treten Sie bei der Btw13 nochmals an?

[1]: http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-09/deutschland-exporteur-strom
[2]: http://www.dowjones.de/site/2011/12/rwe-will-wegen-niedriger-strompreise-kraftwerke-vom-netz-nehmen.html
[3]: http://www.bund-brandenburg.de/fileadmin/bundgruppen/lvbrandenburg/Klimaschutz_Energie/20101118_klima_energie_ccs_studie.pdf

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Müller,

ich komme zuerst auf Ihre letzte Frage zu sprechen: Ich plane, zur Bundestagswahl 2013 erneut anzutreten.

Nun zu Ihren inhaltlichen Fragen:

Das Thema Energiewende ist komplex und geht vom Netzausbau (Onshore, Offshore, Verteilnetz-und Übertragungsebene) über Speicher, Marktregularien (Grenzkostenmodell, Kapazitätsmärkte) über Europa (Stromhandel, Importe von Atomstrom und Phasenschieber und Grenzkuppelstellen) bis hin zu Energieeffizienz und Energieeinsparungen über die Effizienz hinaus.

Schon beim Beschluss der Energiewende war klar, dass die kommenden zwei Winter je nach Lastenlage schwierig werden würden. Die Verbrauchszahlen sind auf geringem Niveau stabil und führen dazu, dass wir aktuell sogar Strom exportieren. Allerdings geht aus dem von Ihnen zitierten Artikel ebenso hervor, dass sich die Stromausfuhrmenge 2011 im Vergleich zum Vorjahr verringert und die Einfuhrmenge vergrößert hat. Eine weitere Meldung, die auf Informationen des französischen Netzbetreibers RTE basiert, bestätigt diesen Trend. Im Jahr 2011 wurde Frankreich zum ersten Mal Stromexporteur für Deutschland. Siehe: http://www.hea.de/news/index.php

Ein Wegfall bestehender Kapazitäten kann nicht umgehend und komplett durch Erneuerbare Energien aufgefangen werden. Denn ohne adäquate Speicher können aufgrund der volatilen Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie keine steuerbaren Kapazitäten ersetzt werden. Im Bereich Netzausbaubeschleunigung sind wir weiter, bei Forschung und Entwicklung von Energiesystemen und Speichern hingegen muss noch viel getan werden. Es bleibt jedoch unser Ziel, die bestehenden Kapazitäten durch den Ausbau Erneuerbarer Energien zu ersetzen.

Natürlich hat ein Onshore Windrad als energieproduzierende Einheit aus rein betriebswirtschaftlicher Perspektive nur sehr geringe variable Kosten (bspw. für Wartung). Vergütet wird die Energie durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) aber trotzdem mit festen Einspeisetarifen für einen festgelegten Zeitraum. Wir haben allerdings keinerlei Einfluss darauf, an welchen der ca. 2000 Volllaststunden von 8760 Jahresstunden die Anlagen Strom liefern. Da wir eine industrielle Basis in Deutschland haben wollen, benötigen die Unternehmen eine verlässliche Energieversorgung. Diese wird (noch) durch konventionelle thermische Kraftwerke gewährleistet. Welche Kraftwerke in Deutschland den Strom erzeugen, entscheiden die Unternehmen selbst.

Die weltweit steigende Nutzung fossiler Energieträger führt zu einem drastischen Anstieg der CO2-Emissionen. Bedingt durch ihre rasante wirtschaftliche Entwicklung verzeichnen vor allem die Schwellenländer Indien, China und Südafrika einen enorm hohen Verbrauch an fossilen Energien. Dort geht jede Woche ein neues Kohlekraftwerk von der Größe unserer größten Atomkraftwerke ans Netz. Auch in Deutschland werden wir durch konventionell befeuerte Kraftwerke, die u.a. bei Ausfall von Sonne und Wind die Energiebereitstellung sicherstellen müssen, sowie durch den Bau von regenerativen Kraftwerken verstärkt CO2 verursachen.

Die „Abscheidung“ und geologische Speicherung des CO2 aus Kraftwerken dient der Erreichung der internationalen Klimaschutzziele. Das Gesetz zur Anwendung der CCS-Technologie dient vor allem der Erforschung der Technik. Die Erprobung von CCS eröffnet eine wichtige Perspektive für den Klimaschutz, vor allem für eine CO2-arme Industrieproduktion. Das ist gerade für den Industriestandort Deutschland von Bedeutung, da Stahlwerke und Chemieanlagen auch langfristig nicht ganz ohne CO2-Emissionen auskommen werden. Unser langfristiges Ziel ist dennoch, unsere Energieversorgung weitestgehend ohne klimaschädliche Emissionen sicherzustellen. Im Rahmen der Beratungen wurde den einzelnen Bundesländern zudem die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen einer fachlichen Abwägung sowohl Gebiete auszuweisen, in denen die CO2-Speicherung zulässig ist, als auch solche, in denen sie nicht zulässig ist. Das CCS-Gesetz wurde von der Bundesregierung beschlossen und wird umgesetzt. Erfolge bei der großtechnischen Anwendung der CCS-Technologie in Deutschland können dem deutschen Anlagenbau mit seiner starken Exportorientierung viel Rückenwind geben und dabei gleichzeitig zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den Schwellenländern beitragen.

Natürlich kann die CCS-Technologie bisher auf keine langjährigen Erprobungen und Daten zurückgreifen. Die Erprobung dieser Technologie ist allerdings ein Mittel, das zum Klimaschutz entscheidend beitragen kann.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen deutlich machen, dass die Energiewende ein gesamtgesellschaftliches Projekt ist, deren konkrete Umsetzung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Harald Leibrecht MdB