Frage an Hans-Ulrich Krüger von Dieter P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr.Krüger,
wie ist es möglich, dass bei Vorruhestandsregelungen, die im Einvernehmen mit dem AA und den AG zustande kamen, die Betroffenen,obwohl sie weder ALG1 noch ALG2 beziehen, von ihren Arbeitsämtern mit Maßnahmen überschüttet werden? Die angesprochenen Personen, die durch ihre AG gut abgefedert sind, müssen beim AA gemeldet sein, damit sie über den Vertrauensschutz mit 60 Jahren in Rente gehen können. Ich finde der Staat könnte hier Milliarden einsparen. Personen, die unfreiwillig in den Vorruhestand gedrängt werden, 55 Jahre und älter sind, haben bereits über 40 Berufsjahre hinter sich. Hier könnte man mit viel Fingerspitzengefühl viel Geld einsparen.
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr Przibylla,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch.de.
Da mir nicht vollends klar ist, welche Hauptkritikpunkte Ihr Anliegen beinhaltet, habe ich mir erlaubt, die aktuelle Position der SPD zum Vorruhestand darzustellen:
Noch unter der schwarz-gelben Regierung, also vor 1998, galt die Devise, ältere Arbeitnehmer möglichst früh in Rente zu schicken. Union und Liberale hatten dementsprechend großzügige Vorruhestandsregelungen erlassen mit der Folge, dass Unternehmen sich auf Staats- und somit Steuerzahlerkosten immer mehr verjüngt haben.
Folge dieser undurchdachten Politik war, dass nur noch eine geringe Anzahl von Betrieben in Deutschland noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, die 60 Jahre oder älter waren. Dies hatte und hat natürlich gravierende Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung und die gesetzliche Arbeitslosenversicherung.
Ältere Arbeitnehmer darüber hinaus frühzeitig in den Vorruhestand zu schicken, ist m.E. daher auch betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich schädigend. Dass wir in Deutschland heute einen Fachkräftemangel zu beklagen haben, liegt auch daran, dass die Erfahrungen und das Know How älterer Erwerbstätiger durch diese Art und Weise der Unternehmenspolitik verlorengegangen sind.
Wir Sozialdemokraten haben dieses Problem schon seit längerem erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen. Wir haben einen Paradigmenwechsel - eine Strukturreform - eingeleitet, der - das liegt in der Natur der Sache - längere Zeit benötigt, um zu greifen.
Wichtigstes Programm im Rahmen dieses Paradigmenwechsels ist die so genannte "Initiative 50 plus", initiiert durch den damaligen Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering.
Mit dieser Initiative haben wir ein Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht, die auf die Situation älterer Menschen in Beschäftigung zugeschnitten sind und deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt fördern.
Was sind nun die Ziele der "Initiative 50 plus"?
– Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll erhöht werden.
– Das derzeit zu frühe Ausscheiden der 55jährigen und Älteren aus dem Berufsleben soll deutlich reduziert werden.
– Ältere Arbeitslose sollen besser als bisher wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.
– Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen sich deutlich stärker als bisher an beruflicher Weiterbildung beteiligen.
Damit ältere Arbeitslose schnell wieder in Beschäftigung kommen, wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 1. Mai 2007 der Kombi-Lohn für Mensch ab 50 Jahren angehoben.
Ältere Arbeitslose, die eine Beschäftigung mit einem niedrigeren Netto-Gehalt als vor ihrer Arbeitslosigkeit aufnehmen, erhalten einen Teil der Differenz zwischen dem früheren und dem neuen Netto-Lohn als Zuschuss (im ersten Jahr: 50 %, im zweiten Jahr: 30 % der Netto-Entgeltdifferenz). Damit werden finanzielle Beschäftigungsbarrieren abgebaut.
Aber: Auch Arbeitgeber können profitieren, wenn sie ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen. Sie können bis zu drei Jahre lang einen Eingliederungszuschuss erhalten, der zwischen 30 % und 50 % des Arbeitslohns beträgt. Wichtige Voraussetzung ist, dass der Arbeitsvertrag für mindestens ein Jahr geschlossen wird.
Weil die Qualifizierung für den Arbeitsmarkt von Morgen einen zentralen Stellenwert besitzt, wurde die berufliche Weiterbildungsförderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgebaut. Mehr Menschen als bisher sollen die Möglichkeit haben, eine Förderung zu erhalten.
Arbeitnehmern ab 45 Jahren in Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten können daher nach neuer Rechtslage Weiterbildungsmaßnahmen finanziert werden, wenn der Arbeitgeber das Entgelt fortzahlt.
Und nicht zuletzt wurde der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab 52 Jahren erleichtert. Dabei wird sichergestellt, dass das Europäische Recht eingehalten wird und eine Diskriminierung ausgeschlossen ist. Diese Maßnahme erhöht die Anreize für Unternehmen, Ältere einzustellen.
Im Juli 2005 gab zudem die Bundesregierung den Startschuss für die Förderung von 30.000 Zusatz-Jobs (Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung) mit einer bis zu dreijährigen Dauer für längere Langzeitarbeitslose ab 58 Jahren. Die Initiative wird auf lokaler Ebene von den Arbeitsgemeinschaften, von den zugelassenen kommunalen Trägern und - bei getrennter Trägerschaft - von den Arbeitsagenturen umgesetzt.
Bewilligungen konnten bis zum 31. Dezember 2006 ausgesprochen werden, damit Förderungen längstens bis Ende 2009 möglich werden.
Des Weiteren gibt es ein Sonderprogramm "Weiterbildung gering Qualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen".
Um gezielt gering qualifizierte und ältere Beschäftigte zu unterstützen, hat die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen ihres Haushaltes auch für 2007 ein 200 Millionen Euro umfassendes Sonderprogramm für die Weiterbildung gering Qualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen aufgelegt. Mit dem Programm wird mit den Förderinstrumenten des SGB III die Weiterbildung von älteren sowie gering qualifizierten Arbeitnehmern vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert.
Ganz aktuell ist der von der SPD vorgelegte Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Mit der Neuausrichtung sollen Arbeit und Ausbildung suchende Menschen schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dazu ist eine Verbesserung und - wo zweckmäßig - die Vereinfachung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente notwendig. Das bedeutet auch eine Verringerung der Zahl der Instrumente. Weniger arbeitsmarktpolitische Instrumente bedeuten aber nicht weniger Arbeitsmarktpolitik. Entscheidend ist, dass den Vermittlungsfachkräften vor Ort größere Handlungsspielräume für ein verantwortliches Handeln zur schnelleren und nachhaltigen Vermittlung eröffnet werden.
Damit werden die präventiven Elemente in der Arbeitsförderung gestärkt, um für Personen mit Vermittlungshemmnissen das Risiko von Langzeitarbeitslosigkeit zu vermindern.
Sehr geehrter Herr Przibylla, ich denke, dass es sehr wichtig ist, die Erfahrungen und das Know How gerade älterer Arbeitnehmer zu nutzen und es den Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
Insofern halte ich die von der Sozialdemokratie vorgelegten gesetzlichen Möglichkeiten, ältere Arbeitnehmer wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, für richtig und zwingend notwendig, damit u. a. der bereits angesprochene Fachkräftemangel in Deutschland abgefedert wird und der demographischen Entwicklung auch auf dem Arbeitsmarkt entgegen gewirkt wird.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte. Wenn nicht, bitte ich um konkretisierende Hinweise und verbleibe
mit freundlichen Grüßen.
Dr. Hans-Ulrich Krüger, MdB