Frage an Hans-Ulrich Klose von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Klose,
im Georgienkrieg haben wir die Situation des Kosovo in ausgetauschten Rollen:
Der vom Westen geförderte Kriegstreiber und Aggressor Sakaschwili als Milosevic, der einen Angriffskrieg begonnen hat
Die Südosseten und Abchasier als die Kosovoalbaner des Kaukasus, die gegen ihren Willen gezwungen werden sollen bei Georgien zu bleiben
Rußland als "humantiärer"Intervent, der genauso legitim bombt wie damals die NATO in Jugoslawien.
Freilich, Sakaschwili ist unser Gangster und beschützt unsere Pipeline, deswegen läßt man ihn nicht fallen, aber:
Wie stehen sie zu einer Anerkennung einer unabhängigen Republik Abchasien und Südossetien nach dem Vorbild des Kosovo?Warum sollten diese Gebiete zwangsweise bei georgien bleiben, wenn dies die Mehrheitsbevölekrung nicht will?
Wie stehen sie zu der Forderung, den Kriegsverbrecher Sakaschwili vor ein Tribunal nach Den Haag mit Haftbefehl zu stellen?
Wie stehen Sie zu einer NATO-Mitgliedschaft Georgiens, anderer Kaukasusstaaten und/oder der Ukraine?
Inwieweit sehen sie die Gefahr, dass sich ein solcher Konflikt im Baltikum (z.B. Estland-1/3 russische Miniorität")oder um die Ukraine (Krim-Schwarzmeerflotte)
wiederholen könnte?
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
Ihre Anfrage vom 12.8.zum Georgien-Konflikt habe ich gelesen. Ich beantworte sie wie folgt:
Die Anfrage arbeitet mit einer Reihe von Unterstellungen und Wertungen, die ich nicht teile. Dies schon deshalb nicht, weil ich, anders als offenbar Sie, noch immer noch nicht genau weiß, was tatsächlich in den ersten August-Tagen in Georgien geschehen ist. Die Aussagen beider Seiten sind offensichtlich parteiisch und ergeben kein klares Bild.
Sorgen bereiten die zunehmenden Spannungen zwischen Russland und dem Westen (NATO/USA). Bisweilen wird von der Gefahr eines neuen Kalten Krieges gesprochen. Ein bisschen riechen solche Aussagen nach self-fulfilling prophecy. Darum vor allem muss sich die Politik kümmern und zwar in einer Weise, die nicht ständig neues Öl ins verbale Feuer schüttet.
Ich rate deshalb
- nicht beweisbare öffentliche Schuldzuweisungen zu unterlassen;
- vorschnelle Vergleiche (z.B. zur Entwicklung auf dem Balkan) zu vermeiden;
- verbal abzurüsten und auf konfrontative Gesten zu verzichten;
- sich auf die Tugenden der stillen Diplomatie zu besinnen.
Dies voraus geschickt, hier drei kurze Antworten:
1. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, dass sie für die territoriale Integrität Georgiens eintritt, also gegen eine Abtrennung von Abchasien und Südossetien. Damit steht sie auf dem Boden des Völkerrechts.
2. Eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine ist möglich, bleibt aber an Bedingungen geknüpft, die noch nicht erfüllt sind.
3. Niemand kann künftige Konflikte mit Sicherheit ausschließen, bezogen auf das Baltikum halte ich sie aber für eher unwahrscheinlich.
Mit freundlichen Grüßen,
Hans-Ulrich Klose