Frage an Hans-Peter Uhl von Clemens C. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
die Diskussion zu Internet-Sperren habe ich mit Interesse verfolgt.
Ein ganz zentrales, wesensprägendes Element der Demokratie ist die fortdauernde Kontrolle durch das Volk als Souverän oder durch unabhängige Instanzen. Man denke an die Gewaltenteilung, an öffentliche Gerichtsverfahren, an parlamentarische Debatten, an Untersuchungsausschüsse, an föderalistische Strukturen, an den Richtervorbehalt bei vielen Rechtseingriffen und vieles mehr. Sowohl dem aktuellen Vertrag mit den fünf Providern als auch dem geplanten Gesetzesentwurf (Version vom 25. 03.) fehlen solche Kontroll-Elemente fast vollständig - sogar die Novelle des BKA Gesetzes vom Dezember 2008 enthält deutlich mehr Kontrollmechanismen als der nun debattierte Entwurf.
1) Welche demokratischen Kontrollelemente sind aus Ihrer Sicht erforderlich, um Internet-Zugangsbeschränkungen zu begleiten, zu überwachen und - wie alle anderen staatlichen Eingriffe auch - einer Kontrolle durch das Volk zu unterstellen?
2) Ich will durch diese Frage nicht implizieren, daß Mißbrauch von Infrastruktur bereits heute geplant ist, aber die deutsche Geschichte in West und Ost der letzten 2 Generationen zeigt, daß Mißbrauch nicht so selten vorkommt, wie man es vielleicht hofft. Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig um zu vermeiden, daß nach einer Radikalisierung der politischen Landschaft in der Zukunft eine dann an der Macht befindliche Regierung die jetzt aufgebauten Mechanismen mißbraucht?
3) Bei vielen Datenerhebungen wurde zunächst Zweckbeschränkung zugesichert (zB: Genetische Daten, Toll Collect Daten auf Autobahn). Nach Etablierung der Systeme wurden die Zwecke dann entgegen früheren Zusicherungen aufgeweitet. Wie kann bei Internet-Zugangsbeschränkungen wirksam kontrolliert und vermieden werden, daß diese aufgeweitet werden (Bsp: Kritik, Satire, Aufruf zu grundgesetzlich gedeckten Protestmaßnahmen)?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Cap,
was halten Sie von folgender Idee: Das BKA veröffentlicht alle Inhalte, die es auf die Sperrliste setzen will. Dann gibt es jedesmal eine Volksabstimmung darüber, ob dieser Inhalt tatsächlich kinderpornographisch ist und auf die Sperrliste gesetzt werden soll oder nicht.
Merken Sie was?
Ich glaube, das BKA identifiziert diese Seiten doch besser eigenverantwortlich, wie es der Gesetzentwurf vorsieht. Das BKA ist eine dem Grundgesetz und den den Gesetzen verpflichtete Polizeibehörde. Sie ist in unseren - weltweit vorbildlichen - Rechtsstaat integriert und unterliegt vielfältigen internen und externen Kontrollen. Ein generelles Misstrauen gegen die Arbeit der Beamten zu schüren, halte ich für vollkommen unangemessen und unverantwortlich.
Ich könnte persönlich auch besser leben ohne BKA-Sperrlisten und gesetzlichen Internetfilter. Voraussetzung wäre jedoch, dass die Internet-Branche von sich aus mehr gegen Kinderpornographie im Netz unternehmen würde. "Wer [deshalb] nun von ´Zensurinfrastruktur´ spricht, sollte sich nicht an die Politiker wenden, die sich dazu gezwungen sehen, sondern an die Betreiber, die keinen Finger gerührt hätten, um von ihren Seiten den Bodensatz der Gesellschaft fernzuhalten." (F.A.Z. vom 18.4.09, Seite 1)
Wenn der Gesetzgeber erst einmal tätig werden muss, ist das ein Zeichen, dass Selbstverantwortung und Selbstregulierung leider nicht ausreichend vorhanden gewesen sind.
Zum Thema ´Ausweitung der Zwecke´ verweise ich auf eine bereits gegebene Antwort:
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_hans_peter_uhl-650-5550-5-p475.html#q131365
Mit freundlichen Grüßen
Uhl