Frage an Hans-Peter Uhl von Sven P. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Uhl,
wenn die Instrumente für eine Sperrung von Internetseiten eingeführt wurden, können sie sich dann auch eine Sperrung von anderen Seiten vorstellen?
Zum Beispiel von Leugnern des Holocaust, Seiten von religiösen Fundamentalisten, Gewaltverherrlichung, Urheberrechtsverletzungen, Seiten von radikalen Parteien.
Sehr geehrter Herr Pauler,
die Bundesregierung und die CDU/CSU-Fraktion bemühen sich derzeit, ein aktives ´access-blocking´ gegen kinderpornographische Inhalte auf den Weg zu bringen. Es handelt sich bei diesen Inhalten um ein so schweres Verbrechen, dass gegenüber den aktuell diskutierten staatlichen Gegenmaßnahmen jede Rede von ´Zensur´ oder ´Freiheitsbeschränkung´ pervers ist.
Über ein vergleichbares Vorgehen gegenüber anderen verbrecherischen Inhalten - die von Ihnen genannten Probleme sind dem Unrechtsgehalt von Kinderpornographie nicht vergleichbar - möchte ich nicht spekulieren. Klar ist, dass das access-blocking ein schwerer staatlicher Eingriff wäre, dem rechtlich enge Grenzen gesetzt sein müssten und daher keineswegs beliebig ausgeweitet werden dürfte.
Klar ist jedoch auch, dass das Internet zwar ein schrankenloses Medium ist, aber deshalb natürlich keine schrankenlose Freiheit beanspruchen kann. Jede Freiheit findet ihre Grenze in den zu schützenden Rechtsgütern anderer. Die schwierige juristische Frage ist nur, welches Gewicht die unterschiedlichen Rechtsgüter jeweils zueinander erlangen sollen.
Für mich steht jedoch fest, dass z.B. das Freiheitsrecht eines Kindes, nicht sexuell missbraucht und Pädophilen zur Schau gestellt zu werden, um einiges höher zu bewerten ist als eine verabsolutierte "Freiheit des Internets" oder anderes dummes Geschwätz. Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein "unzensiertes Internet" verteidigen etc. - vgl. http://www.ccc.de/updates/2009/besucht-zensursula?language=de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl
Ich bezweifle nicht, dass z.B. die Angehörigen des Chaos Computer Club grundsätzlich Ernst zu nehmende Computerfachleute sind. Ich bedaure, dass ich einen unnötig polemischen Ton in die Debatte gebracht habe. Schließlich ist es ja richtig, geplante Maßnahmen von allen Seiten zu beleuchten und zu hinterfragen.
Zur Klarstellung: Die richtige Alternative zu ´rechtsfrei´ ist nicht ´zensurfrei´. Dementsprechend möchte ich selbstverständlich keine Zensur einführen, sondern mich im Gegenteil dagegen wehren, dass rechtsstaatliche Restriktionen in Bezug auf das Internet als "Zensur" diffamiert werden. Z.B. die Vertreter des CCC sind ihrerseits nicht zimperlich, den für mich verletzenden Vorwurf der "Zensur"-Politik zu erheben.
Ich habe für meine politischen Stellungnahmen zu kontroversen Themen - z.B. BKA-Gesetz oder die Internet-Sperren gegen Kinderpornographie - niemals Unfehlbarkeit beansprucht. Von Kritikern dieser Politik darf ich mir jedoch seit Jahren anhören, "verfassungsfeindlich" zu agieren, den "Überwachungsstaat" vorzubereiten, "Stasi 2.0"-Politik zu betreiben etc.
Mit Unterstellungen dieser Art schwindet auf die Dauer das Vertrauen in die Objektivität einiger Fachleute. Auch wer technisch-fachlich sehr kompetent sein mag, kann sich gelegentlich zu politischen Werturteilen versteigen, die weniger kompetent und gerecht sind.
Uhl