Frage an Hans-Peter Uhl von Frank K. bezüglich Familie
Hallo Herr Uhl,
leider wird immer nur über die Probleme der türkischen Mitbürger beim Ehegattenanchzug geredet. Die von der CSU tolererierte bzw. offensichtlich gewünschte Diskriminierung von Deutschen durch das Gesetz wird mit keinem Wort erwähnt. Warum nicht?
Bei vielen Gesprächen im Arbeits- und Bekanntenumfeld löst immer wieder großes Staunen und Ablehnung aus, dass ausgerechnet die CSU die Diskriminierung der deutschen Staatsbürger gegenüber jedem bei uns lebenden EU-Bürger mitträgt, thematisiert u.a. in der Drucksache 16/10732 des Bundestages vom 29. 10. 2008 Seite 1/2. Diese dürfen nämlich den Ehegatten - wo auch immer der herkommt - ohne jede Einschränkung nachziehen lassen.
"Ausnahmen gelten dagegen für Ehegatten von Bürgerinnen und Bürger aus der EU sowie für Bürgerinnen und Bürger einer Reihe von Staaten, die auch für einen längeren Aufenthalt visumsfrei einreisen können. Wenn die Deutschkenntnisse bei einem Nachzug zu deutschen Staatsbürgerinnen und Bürgern nachgewiesen werden müssen, beim Nachzug zu hier lebenden Ausländern bestimmter Nationalitäten aber nicht, dann kann man dies nur als drastisches Beispiel für "Inländerdiskriminierung" werten."
Quelle: www.der-paritaetische.de
In Österreich ist eine derartige Diskriminierung der eigenen Bürger übrigens verfassungsrechtlich verboten!
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Inl%C3%A4nderdiskriminierung
Ihr offiziell propagiertes Ziel (Verhinderung von Zwangsehen) erreichen Sie sicherlich auch ohne Einbeziehen der deutschen Staatsbürger.
Werden Sie sich dieses Themas annehmen und eine Streichung des entsprechenden Passus im Gesetz ( § 28 Familiennachzug zu Deutschen 1,1 § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.) empfehlen?
Falls nicht, warum nicht?
Danke für Ihre Antwort.
Gruss,
Frank Karnbach
Sehr geehrter Herr Karnbach,
Sie weisen auf ein echtes Problem hin: Der EuGH hat geurteilt, dass es mit der Freizügigkeits-Richtlinie (RL 2004/38) nicht vereinbar ist, wenn das nationale Recht eines Mitgliedstaates als Voraussetzung für einen Ehegattennachzug einen zuvor rechtmäßigen Aufenthalt des Ehegatten in einem anderen Mitgliedstaat verlangt. Es soll nach der Rechtsprechung nicht darauf ankommen, wann und wo der Unionsbürger seinen Ehegatten geheiratet hat und unter welchen Umständen er in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist.
Als Folge der EuGH-Rechtsprechung kann vom Familienangehörigen eines Unionsbürgers nun kein Sprachnachweis mehr verlangt werden, da der Familiennachzug zu Unionsbürgern (auch die erstmalige Einreise!) sich ausschließlich nach der Freizügigkeits-Richtlinie richtet, welche keinen Sprachnachweis voraussetzt.
Ich bin mit diesem Urteil sehr unzufrieden, weil es ein erhebliches Missbrauchspotential eröffnet: Ein Angehöriger eines Drittstaates mit rechtswidrigem Aufenthalt oder ohne realistische Möglichkeit, selbst ein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat zu erwerben, kann durch die Heirat mit einem Unionsbürger, der sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, ein Aufenthaltsrecht erwerben. Damit können Personen zur Eingehung von Schein- / Zweckehen motiviert werden, um so die rechtlichen Voraussetzungen von Asyl und Einwanderung zu umgehen.
Entgegen Ihrer Unterstellung wird dieser Umstand von CDU und CSU keineswegs gutgeheißen. Im Gegenteil: Bundesinnenminister Schäuble bemüht sich deshalb, auf europäischer Ebene, die Freizügigkeitsrichtlinie zu ändern: Die EU-Innenminister haben auf ihrem letzten Treffen am 26./27.02.2009 in Brüssel im Rahmen des TOP "Umsetzung der Freizügigkeits-RL" auch über das Metock-Urteil diskutiert. Minister Schäuble hat darauf hingewiesen, dass dieses Urteil der integrationsfördernden Praxis nicht dient. Ausdrücklich unterstützt wurde er von Irland, Dänemark und Österreich. Die Kommission hat angekündigt, Leitlinien zur Auslegung der Freizügigkeits-Richtlinie vorzulegen, die dann im Junirat erörtert werden sollen. Danach wird wieder über die Notwendigkeit möglicher Richtlinien-Änderungen zu sprechen sein.
Für uns kann die EU-Freizügigkeitsrichtlinie kein Grund sein, dass wir auf die Steuerung des Erstzuzugs verzichten. Dies ist eine wesentliche integrationspolitische Kompetenz, die sich der nationale Gesetzgeber nicht aus der Hand nehmen lassen darf.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl