Frage an Hans-Peter Uhl von Hermann F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
bis vor kurzem noch fand ich die Gesetzesinitiative, Deutsch vor der Einreise bei einer Familienzusammenführung zu erlernen, recht positiv.
Nun ist meine Verlobte seit 1 Monat am Goethe-Institut in Bangkok und versucht sich dort auf den A1-Test vorzubereiten.
Doch, oh Graus!!!
Die Lehrer sprechen die Landessprache nicht, die Unterrichtseinheiten werden nur in Deutsch abgehalten. Die Lehrbücher von Hübner enthalten kein Glossar, man weiss als garnicht was man eigentlich so den ganzen Tag lang gelernt hat.
Wo und wen soll man fragen, wenn man etwas nicht versteht?
Dann noch die typisch deutsche Grammatik, die Artikel, wie soll die jemand verstehen, der in seiner Sprache sogut wie keine Grammatik kennt. Und keiner kann´s ihm erklären. Man kann nicht einfach auf die Straße oder in den nächsten Supermarkt gehen, um seine Deutschkenntnisse zu testen.
Warum läßt man den Leuten nicht einfach die Möglichkeit, hier in Deutschland eine Sprachschule zu besuchen um den A1-Test zu absolvieren. Dies wäre doch möglich - per nationalem Sprachvisum, gültig bis max. 1 Jahr - mit anschließender Wiederausreise ins Heimatland, zur Beantragung des erforderlichen Heiratsvisums oder Visums zur Familienzusammenführung.
Das würde mit Sicherheit weit bessere Sprachkenntnisse zur Folge haben, die Integration erleichtern - wenn man schon etwas von Land, Kultur und Tradition mitbekommen hat - und außerdem könnte die langfristige Trennung vom geliebten Partner verkürzt werden.
Und - es wäre ein großer Schritt in Richtung mehr Menschlichkeit!
Herzliche Grüße
Hermann Fellhauer
Sehr geehrter Herr Fellhauer,
für Ihr Schreiben herzlichen Dank. Die Probleme, von denen Sie berichten, tun mir aufrichtig Leid. Ich glaube gern, dass Ihre Frau in Deutschland - mit Ihrer Hilfe - besser und schneller deutsch lernen könnte als unter den gegebenen Umständen.
Unser Problem ist jedoch folgendes: Über viele Jahrzehnte konnten alle Zuwanderer das tun, was Sie fordern: Ehegatten konnten ohne Deutschkenntnisse einreisen und hier ein umfassendes System von Bildungseinrichtungen nutzen, um deutsch zu lernen. Leider haben sehr viele Zuwanderer von diesen Möglichkeiten jedoch keinen Gebrauch gemacht. Daher kommen unsere Integrationsprobleme mit einer wachsenden Zahl von Menschen, die nicht deutsch können und sich in Parallelgesellschaften zurückziehen. Eine wachsende Zahl von Kindern weist kaum Deutschkenntnisse auf und lässt sich daher schulisch und beruflich kaum integrieren.
Die Politik musste also endlich etwas tun. Um die Negativentwicklung zu stoppen, haben wir allen Ehegatten die Pflicht auferlegt, bereits vor ihrer Einreise Grundkenntnisse in Deutsch nachzuweisen.
Die von Ihnen genannte vorläufige Einreise mit der Pflicht, hier deutsch zu lernen, ist aus meiner Sicht keine realistische Alternative. Die erfolgreiche Teilnahme am Deutschkurs lässt sich im Inland nicht wirksam durchsetzen. Die Erfahrung zeigt, dass, wer erst einmal da ist, auch da bleiben kann - egal, ob er deutsch lernt oder nicht. Eine Ausweisung im Falle der nichterfolgreichen Teilnahme bzw. Verweigerung der Teilnahme an einem Deutschkurs wäre aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen in der Regel nicht möglich.
Das einzige wirksame Druckmittel ist die Nachweispflicht von Deutschkenntnissen vor erstmaliger Einreise. Ich sehe schon das Problem, dass mit dieser Regelung viele Antragsteller ´mitgefangen und mitgehangen´ sind, die hier freiwillig und zuverlässig sich um Spracherwerb und Integration bemühen würden. Aber so ist es mit jeder Kontrollmaßnahme. Viele Dinge wie Fahrscheinkontrollen, Betriebsprüfungen oder Kaufhausdetektive könnten wir uns sparen, wenn alle Menschen ehrlich ihre Pflicht tun würden. Aber soweit sind wir wohl noch nicht. (Auch diese Erkenntnis gehört zur "Menschlichkeit".)
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl