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Frage von Dr. Hartmut M. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Dr. Hartmut M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

in Ihrer Antwort an Herrn Nawrath vom 15.12.2008 meinen Sie, dass die SGB-II-Leistungen in Deutschland " sehr großzügig bemessen sind".

Die "BamS" hatte letztens eine Tabelle abgedruckt, auf der ein anderes Bild ersichtlich ist, ich zitiere die Zahlen wortwörtlich:

"In Belgien werden 644,48 Euro bezahlt, in Dänemarkr 1201, in Finnland 389,37 plus gesamte Wohnkosten und Strom, in Frankreich 440,86 plus allen Wohn-und Nebenkosten, in Großbritannien 742 Euro plus Wohn-und Nebenksoten, in Island 933 zzgl. Wohngeld, in Schweden 385 Euro plus alle Wohn-und Nebenkosten. Nur Italien hat mit 232 bis 269 für Langzeitarbeitslose niedrigere Leistungen".

Das war für mich verwunderlich, da die "Bild" im Gegensatz zur "BamS" ständig über die angeblichen "Hartz IV-Abzocker" schreibt. Meines Erachtens ist Unwissenhheit mit ein Grund, weshalb so pauschal gegen ALG II Bezieher hergezogen wird ( z.B. in den Medien).

Ich möchte die Probleme Italiens in Deutschland nicht haben. Zum anderen sieht man, dass gerade die Staaten mit hohen Leistungen wie z.B. Dänemark, sehr erfolgreich sind.
Warum nehmen Sie das nicht als Beispiel?

Sie bezweifeln außerdem, dass sich ALG II Empfänger zu Weihnachten nicht mehr als eine Tütensuppe leisten könnten. Bitte schauen Sie mal bei www.wikipedia.de mit der Eingabe "Hartz IV", "Sozialhilfe" und "ALG II".

Sie sehen erstens, dass ca. 130 Euro für das Essen vorgesehen sind. Teilen Sie das durch 31 Dezembertage, so erhalten Sie etwas mehr als 4 Euro als Ergebnisl, die einem ALG Bezieher pro Tag zur Verfügung stehen. Wo kann man sich für 4 Euro eine Gans kaufen?

Es ist zudem so, dass das ALG II gemessen an der früheren Sozialhilfe laut Wikipedia.de gesenkt wurde. Stehen Sie zu diesem Schritt?

Ich denke, viele Langzeitarbeitslose sind ohne Chance, schreiben sehr viele Bewerbungen . Glauben Sie, man kann diese Menschen wirklich nur mit Wirtschaftswachstum in Arbeit bringen?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hartmut Mayer

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,

„Hartz IV hat trotz der damit verbundenen Erhöhung des Sozialbudgets die Stimmung nachhaltig verdorben, und zwar bei den Betroffenen ebenso wie bei den Nichtbetroffenen. Die einen fühlen sich ungerecht behandelt und diskriminiert, die anderen artikulieren Mitleid oder fürchten die veränderte Ausstattung des sozialen Netzes für den Fall des eigenen Absturzes. Die Tatsache, dass in großem Umfang Menschen aus der Sozialhilfe erstmals in die Arbeitsförderung einbezogen wurden und damit neue Chancen der Vermittlung erhielten, wird verdrängt.“ Soweit Prof. Hüther vom IW. Fundstelle:
http://www.iwkoeln.de/tabID/216/ItemID/22741/language/de-DE/Default.aspx

Das ALG II hat für einige Betroffenen eine Kürzung gegenüber den früheren SGB-Leistungen mit sich gebracht. Für andere hingegen – je nach Konstellation – eine Erhöhung. Von pauschaler Senkung zu sprechen, wäre unredlich. Insgesamt hat dieser angebliche Sozialabbau zu einer Ausweitung der Leistungen geführt. Im Übrigen führen weder rhetorische noch statistische Tricks an der Einsicht vorbei, dass die SBG-Transferleistungen allein beim Bund (zuletzt) mit jährlich ca. 35 Mrd. Euro einen der größten Ausgabenposten der öffentlichen Hand darstellen.

Wie gesagt: Auf die Diskussion um „Nur-Tütensuppe-zu-Weihnachten“ will ich mich nicht einlassen. Ich bin jedoch überzeugt, dass – intelligentes Einkaufen und elementare Kochkünste vorausgesetzt – die Regelbeträge eine ausreichende und gelegentlich auch ‚festliche’ Verpflegung zulassen. Es gibt ja Untersuchungen, die die Regelsätze deswegen sogar – diese Einschätzung teile ich ausdrücklich nicht – für zu hoch halten:
http://www.welt.de/wirtschaft/article2397035/Professor-haelt-132-Euro-Hartz-IV-fuer-ausreichend.html;jsessionid=1D4329A355CACEB8FBAF887302902418#vote_2397046

Zu den europäischen Vergleichswerten: Wenn Sie meine Darstellung widerlegen wollen, müssten Sie belegen, dass die Sozialtransfers im Gesamtbild (Nettoleistungen, Leistungsdauer und –Voraussetzungen, Budgetanteil, Einkommensniveau etc.) in Deutschland vergleichsweise niedrig sind. Dies glaube ich nämlich nicht.

Zur Frage, wie „großzügig“ die SGB-II-Leistungen bemessen sind, möchte ich erklären, dass die Regelsätze natürlich keine großen Sprünge erlauben und – gemessen an manchen Konsumgewohnheiten – relativ gesehen wenig Geld sind. Andererseits erlauben diese Regelsätze (würdige Versorgung mit Wohnraum kommt hinzu) einen menschenwürdigen Lebensstandard, der weit über das ‚nackte Überleben’ hinausgeht und den verfassungsmäßigen Vorgaben entspricht. Über die Frage, ob der Staat (also der Steuerzahler) einen darüber hinausgehenden Lebensstandard finanzieren soll, der dem Einkommensniveau nicht nur von Geringverdienern, sondern dem unteren Normalverdienerniveau entsprechen würde, wird man wohl unterschiedlicher Meinung sein dürfen: Gehört es wirklich zu den moralischen Pflichten des Steuerzahlers – und zur Definition des Sozialstaats –, die Einkommensunterschiede zwischen denen, die arbeiten, und denen, die nicht arbeiten, einzuebnen?

Um es klar zu sagen: Ich bestreite nicht, dass viele SBG-II-Leistungsempfänger sich eine Beschäftigung sehr wünschen, darum auch kämpfen und dennoch über lange Zeit keine erhalten. Dies ist in der Tat für die Betroffenen deprimierend und für die gesamte Gesellschaft eine Herausforderung. Verbesserungen verspreche ich mir nur
a) von mehr Aus- und Weiterbildung (selbstverantwortliche Eigenanstrengungen jedes einzelnen + bessere Rahmenbedingungen im staatlichen Bildungs- und Erziehungssystem)
b) und von einer Politik für wirtschaftliches Wachstum und Effizienz mithilfe – nicht gegen – Markt und Wettbewerb.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl