Frage an Hans-Peter Uhl von Andreas L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
das Bundesfinanzministerium gewährt Island einen Kredit über € 300 Mio., um deutschen Anlegern auch über die Garantiesumme von € 20.000 hinaus ihre Einlagen zurückzuzahlen. Welche Rechtsgrundlage besteht für diesen Kredit, der wegen der Verschuldung Islands nie vollständig getilgt werden kann? Diese Anleger haben ihre Einlagen getätigt in Kenntnis der begrenzten Garantie! Ich halte dies für einen Mißbrauch meiner Steuern.
Mit nachbarlichn Grüßen
Andreas Lesser
Sehr geehrter Herr Lesser,
für Ihre interessante Frage herzlichen Dank. Sie teilen damit - über die konkrete Kaupthing/Island-Problematik hinaus - einen grundlegenden und ordnungspolitisch sehr berechtigten Zweifel an den Maßnahmen staatlicher Risikoübernahmen mit. Ich teile diesen Zweifel und meine folgende Antwort stellt einen Erklärungs- und Rechtfertigungsversuch auf empirisch unsicherer Grundlage dar.
Rechtsgrundlage des in den Medien berichteten "Island-Kredits" ist - juristisch ausgedrückt - das autonome Regierungshandeln auf Grund der im Haushaltsgesetz beschriebenen Freiheitsgrade der Exekutive. Das heißt: Im Rahmen der haushaltsrechtlichen Bewirtschaftung hat die Bundesregierung das Recht, freihändig diplomatische Zusagen zu machen und Garantien zu geben auch ohne Beteiligung des Bundestags. Dies hat - Medienberichten zufolge - der Bundesfinanzminister in Bezug auf Island getan in Abwägung aller beteiligten Einzelinteressen mit dem gesamtstaatlichen Interesse.
Der Haushaltsausschuss des Bundestags ist demnach (meines Wissens) noch nicht damit befasst gewesen.
Meines Wissens ist eine außerplanmäßige Ausgabe noch nicht erfolgt und somit kein Geld nach Island geflossen. Wenn der isländische Einlagensicherungsfonds einen Überblick über die Ansprüche hat, wird er mit der Entschädigung beginnen; Dazu könnten (nicht: müssen) die zugesagten Gelder aus Deutschland als verzinsliches Darlehen in Anspruch genommen werden.
Wichtiger als die technisch-rechtliche Seite ist wohl die Frage der Legitimität: Ich habe mich auch gewundert über die - teilweise in sehr emotionalen Briefen dokumentierte - lautstarke Anspruchsmentalität der geschädigten Kaupthing-Sparer, die wie selbstverständlich forderten, dass der Bund ihnen über die von ihnen vertraglich eingegangenen Risiken hinweghilft. Wurde hier eine Gruppe, die besonders laut geschrien hat, von eingeschüchterten Politikern mit Steuergeld besänftigt?
Ich bin einigermaßen überzeugt, dass dies NICHT der Fall ist: Das Bundesfinanzministerium (und die Bundesregierung insgesamt) haben abgewogen mit den erwartbaren Folgekosten für Deutschland, die zu befürchten gewesen wären, wenn sich die Finanzkrise durch einen völligen Zusammenbruch in Island weiter verschärft hätte. Die Kreditzusage an den isländischen Einlagensicherungsfonds dient primär der Stabilisierung der Finanzmärkte und ist somit über den konkreten Geschädigtenkreis hinaus im Gemeinwohlinteresse zu rechtfertigen. Dennoch wäre die Zusage nicht erfolgt, wenn nach menschlichem Ermessen auf Fachebene nicht mit einer vollständigen Rückzahlung des verzinslichen Darlehens zu rechnen gewesen wäre. Ich glaube (und hoffe) somit, dass die Bundesregierung hier (zwar riskant aber) verantwortlich gehandelt hat.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl