Frage an Hans-Peter Uhl von Robert S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Uhl,
auch wenn ich inhaltlich damit völlig einverstanden bin, dass Sie offensichtlich gegen die Wiedereinführung der Pendlerpauschale gestimmt haben: Ich finde das Verhalten Ihrer Fraktion bzw. Ihrer Partei befremdlich oder besser: ziemlich widersprüchlich!
Was stimmt denn nun? Setzt sich die CSU nun für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale ein oder nicht? Hat Ihr Abstimmverhalten etwas mit einer Parteidisziplin zu tun oder entspricht das ihrem besten Wissen und Gewissen, dem Sie als Abgeordneter alleine und ausnahmslos verpflichtet sind?
Im letzteren Fall würde mich interessieren, wie Sie persönlich nun zur Pendlerpauschale tatsächlich stehen!
Mit besten Grüßen,
Robert Summers
Sehr geehrter Herr Summers,
für Ihre Frage bin ich dankbar, weil sie mir Gelegenheit gibt, ein weit verbreitetes Missverständnis aufzuklären.
Meine Kollegen der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und ich, wir hätten dem Antrag der Linkspartei zur Wiederherstellung der alten Pendlerpauschale aus inhaltlichen Gründen gern zugestimmt. Wir konnten jedoch nicht zustimmen.
Das heißt: Natürlich hätten wir zustimmen können, weil jeder Abgeordnete frei und nur seinem Gewissen verantwortlich abstimmen kann. Dann hätten wir jedoch auch die Folgen verantworten müssen: einen Bruch des Koalitionsvertrags, der beide Fraktionen (SPD und CDU/CSU) verpflichtet, sich im Vornhinein über das Abstimmungsverhalten per Kompromiss zu einigen. Wörtlich heißt es auf Seite 141: „Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“
Wir mussten also abwägen:
- Entweder der Sache wegen dem Oppositionsantrag zustimmen
- oder den Koalitionsvertrag einhalten.
Der Koalitionsvertrag hatte für uns Priorität,
- weil unser Ja zur Pendlerpauschale in der Sache nichts gebracht hätte (Der Antrag hätte trotzdem keine Mehrheit gehabt gegen die Stimmen von SPD und CDU).
- weil ein Bruch des Koalitionsvertrags weitreichende Nachteile gehabt hätte: Die SPD könnte es künftig genauso machen und nach Lust und Laune gemeinsam mit der Opposition (z.B. mit Linkspartei und Grünen) einzelne Anträge gegen unseren Willen durchbringen. Solche wechselnden Mehrheiten wären der Tod für die Koalition; Sachliche Zusammenarbeit und vernünftige Kompromisse (ohnehin schwierig genug in der großen Koalition) wären kaum mehr möglich. Der Bundestag könnte zwar mit wechselnden Mehrheiten das ein oder andere beschließen. Das Ergebnis wäre jedoch eine Politik, die teilweise widersprüchlich und im Ganzen (für die Planung des Bundeshaushalts) keinen Sinn ergeben würde. Die Regierung wäre handlungsunfähig, weil sie auf die zuverlässige Unterstützung der sie tragenden Fraktionen angewiesen ist.
Mit einem Bruch des Koalitionsvertrags würde also bereits ein Jahr vor der nächsten Wahl das reinste Chaos ausbrechen, die Politikverdrossenheit würde exponentiell ansteigen. Dagegen mussten wir – als kleineres Übel – die verständliche Verdrossenheit über das (auf den ersten Blick) widersprüchliche Abstimmungsverhalten der CSU-Landesgruppe in Kauf nehmen. Besonders problematisch finde ich daran, dass die Linkspartei ihre Öffentlichkeitsarbeit (nichts anderes war dieser Antrag) also auf die Unwissenheit vieler Menschen abstellt. Wohlgemerkt: Ich habe Verständnis, dass die meisten Menschen die parlamentarischen Regeln nicht so gut kennen. Ich habe aber kein Verständnis, wenn dies parteipolitisch primitiv ausgenutzt wird. Ich wundere mich auch, dass seriöse Medien über den Hintergrund nicht aufklären, sondern das Spiel lieber mitspielen.
Zur Pendlerpauschale als solcher habe ich einen differenzierten Standpunkt, den ich hier bereits ausführlich dargelegt habe:
http://abgeordnetenwatch.de/dr_hans_peter_uhl-650-5550--f122949.html#frage122949
Noch ein wichtiger Hinweis: Es gibt weder einen Partei- noch einen Fraktionszwang, auch keinen Koalitionszwang. Es gibt jedoch den gemeinsam getragenen Willen, etablierte Regeln der politischen Arbeit einzuhalten (auch wenn’s weh tut), weil dies unterm Strich und auf lange Sicht bessere Ergebnisse bringt als das kurzfristige Optimieren (einfach tun und lassen, was man selbst am liebsten möchte).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl