Portrait von Hans-Peter Uhl
Hans-Peter Uhl
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hans-Peter Uhl zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Josef M. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Josef M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Uhl,

wie ich der Presse entnehme, hat die bayrische Polizei bereits ende 2007 heimliche Onlinedurchsuchungen mittels einer auf dem Zielrechner aufgespielten Software (Umgangssprachlich Trojaner) durchgeführt [1].

Im Jahr 2007 gab es dafür jedoch noch keine Rechtsgrundlage. Als kritischer Beobachter der Entwicklung unserer freiheitlichen Demokratie hin zu einem Polizei- und Überwachungsstaat (Sie selbst halten Zensur im Internet für legitim [2]) ist das für mich nur ein weiteres Indiz dafür, dass wir schon jetzt der Willkür der Staatsmacht ausgelifert sind.

Meine Frage ist, weshalb ich mich an Recht und Ordnung halten soll, wenn sich der sogenannte Rechtsstaat nicht einmal mehr selbst an seine eigenen Gesetze hält?

[1]
<http://www.sueddeutsche.de/computer/557/310486/text/&gt;

[2] Zitat Uhl:
Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.
Quelle:
<http://www.focus.de/digital/games/killerspiele-bayern-beharrt-auf-raschem-verbot_aid_329802.html&gt;

Portrait von Hans-Peter Uhl
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Merkle,

ich respektiere Ihre Besorgnis und danke für Ihre Frage. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen zitierten Medienberichte nicht ernst zu nehmen sind, weil sie von Journalisten geschrieben worden sind, denen offenbar das nötige rechtliche und technische Wissen fehlt. Mein Rat an Sie: Politikern kritisch auf die Finger sehen ist richtig; dasselbe müsste aber auch für Medienberichte (auch angesehener Print- und Internetmedien) gelten.

Ich möchte es der Reihe nach gern erklären:

I. Meine angebliche Zensur-Befürwortung: Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich diese Sache auf Abgeordnetenwatch schon mehrfach richtig gestellt und erklärt habe, z.B. hier:
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_hans_peter_uhl-650-5550-1.html#frage133733
Mir geht es um einen spezifischen Ansatz gegen Kinderpornographie mittels Netfilter, weil die etablierten Mittel, dies zu bekämpfen, der Entwicklung hinterherhinken. Von allgemeiner Internet-Zensur kann keine Rede sein.

II. Angebliche Online-Durchsuchung/“Piraten-Partei“:
a) Der SZ-Artikel ist schon deshalb unseriös, weil er die vermeintliche Online-Durchsuchung der Justiz mit dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (BayPAG) in Zusammenhang bringt. Die Journalistin kennt also den simplen Rechtsunterschied nicht zwischen
- Strafrechtlicher (rückwirkender) Aufklärung einer begangenen Straftat gemäß Strafprozessordnung (StPO)
- und polizeilicher Präventivbefugnis zur Gefahrenabwehr (gemäß Landespolizei- oder BKA-Gesetz)
Wichtige Durchsage: Wenn schon die Staatsanwaltschaft involviert ist – wozu, wenn nicht zur Aufklärung einer begangenen Straftat? – kann sich eine etwaige Überwachungsmaßnahme schon rein logisch nicht auf Polizeirecht, sondern nur auf die StPO stützen. Wann das BayPAG geändert wurde, ist in diesem Fall also völlig irrelevant.

b) Da die StPO bis heute jedoch keine Online-Durchsuchung erlaubt, wäre jede in der Vergangenheit durchgeführte Online-Durchsuchung (im Rahmen des Strafrechts) schwer illegal. Die Vorstellung, ein Richter könnte eine illegale Maßnahme anordnen und würde jemanden finden, der sie ausführt, ist abenteuerlich. Dies wäre ein Riesen-Skandal. Um dies zu suggerieren, müsste die SZ etwas in der Hand haben; unverantwortlich ist es hingegen, diesen Verdacht auf ein rechtliches und technisches Missverständnis zu stützen.

Worin besteht das Missverständnis?
>>> Bei dem in Rede stehenden Vorgang handelte es sich nicht um eine Online-Durchsuchung, sondern um eine sog. "Quellen-TKÜ". Entscheidender Unterschied: Bei der Online- Durchsuchung greift die polizeiliche Software auf einen Datenspeicher, namentlich die Festplatte, zu und greift dort abgelegte Daten ab. Bei einer TKÜ muss die Technik an der Datenleitung ansetzen und darf nur solche Daten abgreifen, die im gerade laufenden Kommunikationsvorgang entstehen.

Dieser tatsächliche Unterschied wirkt sich auch bei der grundrechtlichen Betrachtung differenzierend aus. Im ersten Fall wäre Art. 2 Abs. 1 S. 2 GG, „Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ (SVIiS), betroffen, im zweiten Fall Art. 10 GG, Fernmeldegeheimnis. Diese Unterscheidung führt dazu, dass sich auch die befugnisrechtlichen Wege trennen. Für den praktischen Fall bedeutet dies:

Auch wenn die in Rede stehende Maßnahme in einen Skype-Vorgang und damit in die Internet-Telefonie eingegriffen hat, bleibt es doch Telefonie. Insofern stellt sich die Frage nach einer Befugnis zur Online-Durchsuchung nicht, weil das BVerfG ausdrücklich festgelegt hatte, dass eine Prüfung anhand Art. 2 Abs. 1 S. 2 GG (SVIiS) nur dann in Frage kommt, soweit nicht Art. 10 GG betroffen ist.

Folgerichtig musste sich die in Rede stehende Maßnahme nicht auf eine (nicht existierende) in der StPO verankerte Vorschrift zur Online-Durchsuchung stützen, sondern konnte auf § 100a StPO gestützt werden. Die Anordnung erging selbstverständlich durch einen Richter. Der Rechtsstaat heißt nicht nur so, er ist auch einer und hält sich selbstverständlich an seine Gesetze!

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl