Frage an Hans-Peter Uhl von Volker B. bezüglich Recht
Guten Tag,
Sie sagen, dass "schon bislang Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen".
Das ist falsch. Gespeichert werden darf bisher ausschließlich, was zu Abrechnungsdaten unbedingt notwendig ist. Dazu gehören Verbindungsdaten nie, weil es de facto keine Anbieter gibt, die nicht nach Tarifgebieten oder sogar "flat" abrechnen, Verbindungsdaten sind also nie notwendig für die Abrechnung.
Wollen Provider bisher Verbindungsdaten speichern (z.B. im TK-Bereich der sog. "Einzelverbindungsnachweis"), so benötigen Sie bisher dazu die ausdrückliche Erlaubnis des Anschlussinhabers, sonst machen sie das illegal.
Sie schreiben darüber hinaus, dass "[d]ie Anordnung der Erteilung einer Auskunft [...] an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft" sei.
Studien des Max Planck Instituts für Strafrecht "Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen" <http://www.mpicc.de/ww/de/pub/forschung/forschungsarbeit/kriminologie/archiv/tkue.htm> sowie "Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO" <http://www.mpicc.de/ww/de/pub/forschung/forschungsarbeit/kriminologie/archiv/tkue/tkue_effizienz.htm> kommen aber zu einer völlig gegenteiligen Ansicht. Auch Ihre Ansicht, "[d]iese Verbindungsdatenabfrage [habe] sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen", erscheint durch diese Studien konterkarriert.
Meine erste Frage: ändern Sie jetzt Ihre Meinung in Sachen Wirksamkeit?
Meine zweite Frage lautet: da der Richtervorbehalt de facto nicht gut funktioniert, sehen Sie es immer noch als verhältnismässig an, die Grundrechte von Millionen von Menschen konkret zu verletzen, um einer abstrakten Gefahr zu begegnen?
Sehr geehrter Herr Birk,
Sie sollten etwas vorsichtiger damit umgehen, anderen Leuten Falschaussagen zu unterstellen.
Dass das Wahlrecht gemäß § 97, Abs. 4 TKG (alte Fassung) nun weggefallen ist, ist mitnichten ein grundsätzlicher Einwand gegen meine Aussage. Vielmehr gilt: Viele der beschriebenen Daten konnten (und wurden in vielen Fällen auch) schon nach altem Recht (bis 31.12.2007) von den Telekommunikationsunternehmen für geschäftliche Zwecke zwischen 3 und 6 Monaten gespeichert. Neu ist, dass aus einem Speicherrecht eine (weitergehende) Speicherpflicht wurde – mit dem Zweck eine effektive(re) Strafverfolgung zu gewährleisten.
Auch die von Ihnen angeführten Studien enthalten mitnichten grundsätzliche Einwände gegen die TKÜ bzw. die Verbindungsdatenabfrage. Die Studien reflektieren (ernstzunehmende) praktische Probleme, bestätigen jedoch eindeutig die Zulässigkeit und die Erfolge der jeweiligen Maßnahmen. So heißt es Seite 463 der MPI-Studie von 2003: „Die TKÜ ist als ein wichtiges und unabdingbares Ermittlungsinstrument einzuschätzen, das in bestimmten Bereichen nachvollziehbare und grundlegende Erfolge erzielt.“
Dasselbe gilt für die Verkehrsdatenabfrage. (Wären diese Daten bislang nicht gespeichert worden – wie sie behaupten – hätte die MPI-Studie von 2008 die Abfrage dieser Daten wohl nicht auf 500 Seiten analysieren können.)Problematisch erscheint nur die mangelnde Beschränkung der Abfragevoraussetzungen auf Straftaten von bestimmtem Gewicht. In der Konsequenz dieser Erkenntnisse hat ja auch das BVerfG am 19.3.2008 in seiner einstweiligen Verfügung geurteilt:
Das Gericht lässt die Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten zu, es lässt auch die Übermittlung der Daten durch die Telekommunikationsunternehmen an die Strafverfolgungsbehörden zu Strafverfolgungszwecken zu. Lediglich bei der Verfolgung von (nur) erheblichen Straftaten und solchen, die mittels Telekommunikation begangen wurden, wird es Einschränkungen geben müssen. Vgl. Sie dazu die PM des Bundesjustizministeriums:
http://www.bmj.bund.de/enid/4f62936776bf82684df58d6311a989b2,f3c514706d635f6964092d0935303435093a095f7472636964092d0935323933/Pressestelle/Pressemitteilungen_58.html
Eine unverhältnismäßige Verletzung von Grundrechten findet grundsätzlich deshalb nicht statt, weil Ihre und meine Verkehrsdaten nur gespeichert, jedoch nicht genutzt (betrachtet und ausgewertet) werden dürfen. Eine solche Nutzung kann nur ein Richter anordnen, wenn triftige Gründe im Sinne der Strafprozessordnung gegeben sind. Der unbescholtene Bürger erleidet also keinerlei Nachteil. Er genießt jedoch den Vorteil, dass eine effektive Strafverfolgung (zu seinen Gunsten) ermöglicht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl