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Hans-Peter Uhl
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Frage von Erik S. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Erik S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Uhl,

ich möchte eine Antwort Ihrerseits aufgreifen.

Sie schrieben am 5.9.08
„ich will Ihnen Ihre Meinung nicht ausreden. Aber wenn Sie mir Ihre eigensinnigen Werturteile an den Kopf werfen, muss es erlaubt sein zu widersprechen: Ich weise entschieden zurück, dass sich die Volksparteien im Sicherheitswahn verrannt und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit aus den Augen verloren hätten.“

Auch ich bin der Meinung, dass die großen Volksparteien sich in eine Art Sicherheits- und Überwachungsmanie verrannt haben – zumindest scheinen viele Parlamentarier logischen Überlegungen nicht mehr zugänglich. Wie sonst können Sie mir erklären, dass die Speicherung der Verbindungsdaten von 80Millionen Bundesbürgern verhältnismäßig sei? Sie wissen sicherlich selbst, dass deutlich weniger als ca. 0,0001% dieser Bundesbürger jemals einen Terroranschlag planen werden. Selbst wenn diese wenigen Leute es tun, werden sie sich vor dieser Überwachungsmaßnahme ganz einfach schützen können, indem sie entweder auf Telekommunikation verzichten, oder andere Schutzmaßnahmen ergreifen. Diese Maßnahme trifft also rund 100% unschuldige und unverdächtige Bürger! Wo bitte sehen Sie da eine Verhältnismäßigkeit? Noch dazu wurde uns allen vor kurzem vor Augen geführt, welche negativen Effekte diese Überwachung zeitig. Denken Sie nur an die Telekomaffäre! Da ging und geht es genau um diese Daten! Ist ein Umdenken, eine Rückkehr der Parteien aus dieser Sackgasse zu erkennen? Nein!
Nochmal meine Frage:
Wo sehen Sie in diesen Maßnahmen eine Verhältnismäßigkeit?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schaber,

Ja, die Verhältnismäßigkeit ist im vollen Umfang gewahrt. Ich erkläre es Ihnen gerne.

Zuvor erlaube ich mir die Bemerkung, dass ich es ziemlich ermüdend finde, wenn Sie mir unterstellen, „logischen Überlegungen nicht mehr zugänglich“ zu sein, obwohl Sie selbst offensichtlich einen simplen rechtlichen Unterschied nicht kennen: Zu differenzieren sind
a) Strafrechtliche Ermittlungsinstrumente zur (rückwirkenden) Aufklärung eines begangenen Verbrechens – dies hat mit der Abwehr terroristischer Gefahren nichts zu tun.
b) Polizeiliche Präventivbefugnisse zur Abwehr konkreter Gefahren für Leib und Leben (-eingeschränkt auf die Abwehr terroristischer Gefahren).

Der Reihe nach:

a) Strafprozessuale Aufklärung schwerer Straftaten: Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316).

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein solches Ermittlungsinstrument für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass schon bislang Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen (Gesprächsinhalte dürfen nicht gespeichert werden!).

Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft.

Diese Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der Zunahme von Flatratetarifen, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken nicht mehr erforderlich ist, verlor sie mehr und mehr ihre Wirksamkeit. Die Möglichkeit, durch Nutzung solcher Flatratetarife Strafverfolgungsmaßnahmen zu vereiteln, dürfte der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Schon deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig von Abrechnungszwecken, gesetzlich festzulegen. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind uneingeschränkt beibehalten worden.

Auch nach dem neuen Recht dürfen von den Telekommunikationsunternehmen
nur die Verkehrsdaten gespeichert werden. Die Speicherungsfrist ist auf
sechs Monate begrenzt. Die richterliche Anordnung einer Nutzung dieser
Daten ist nach wie vor an die genannten rechtsstaatlichen
Voraussetzungen geknüpft.

b) Polizeiliche Gefahrenabwehr (präventiv):
Eine anderweitige Verwendung der (auf Vorrat) gespeicherten Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, sofern dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist (§ 113 b TKG). Eine solche ausdrückliche Befugnisnorm mit genau definierten Zugriffsbedingungen besteht derzeit noch nicht. Erst der Entwurf für das BKA-Ergänzungsgesetz (§ 20 m BKAG-E) sieht eine solche Befugnis vor – strikt beschränkt auf die Abwehr einer terroristischen Gefahr (§ 4 a BKAG-E). Dies ist eine sehr enge Zweckbestimmung. Um eine solche Abwehrmaßnahme zu ergreifen, muss der BKA-Präsident bei Gericht Antrag stellen. Der Richter kann die Genehmigung erteilen, nachdem er das Vorliegen der Voraussetzungen überprüft hat (dringende Gefahr für Leib und Leben, Tatsachen begründen den Verdacht, Gefahrenabwehr auf anderer Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert). Bei gegenwärtiger Sicherheitslage dürfte es zu etwa 15 Fällen im Jahr kommen.

Die Eingriffsvoraussetzungen sind in jedem Fall sehr hoch angesetzt – wie es sich für einen entwickelten Rechtsstaat gehört.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl