Frage an Hans-Peter Uhl von Frank M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
ich bin mir bewusst, dass Sie bereits mehrfach zu Ihrer "China-Aussage" Stellung genommen haben. Ein Aspekt, der mir aber bei dieser Thematik besonders wichtig ist, wurde aber in den gegenwärtigen Fragen nicht behandelt. Es wäre mir wichtig, diese zwei Fragen noch stellen zu können:
1. Frage:
Wenn man Filter installieren wird, wie kann man sich - ganz untechnisch - eine Erfolgskontrolle vorstellen? Wie lässt sich objektiv der Erfolg einer solchen Maßnahme messen? Würden Sie sich der Forderung anschließen parallel zur Zensurmaßnahme unabhängige, möglichst international renomierte Wissenschaftler mit der Evaluation der Maßnahme zu beauftragen? Wäre es aufgrund der der tiefe des Eingriffs in Freiheitsrechte des einzelnen nicht auch zu überlegen, die Perpetuierung und ein mögliches Nachsteuern von dem Ergebnis einer solchen unabhängigen, zeitnahen Evaluation abhängig zu machen?
2. Frage:
Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Innenministerien der Zensur von Inhalten bei anderen Inhalten folgen werden? Zweifelsfrei ist Kinderpornographie ein abscheuliches Verbrechen. Ohne viel Phantasie wird man sich wortgleiche Forderungen auch in anderen vorstellen können: Z.B. Beschreibungen von Bombenbau, Folter, Sabotage, systematischen Steuerhinterziehung, etc. Ich frage mich aber, wo hier die Grenze liegt, wenn der Damm erst einmal gebrochen und Begehrlichkeiten geweckt sein werden.
Wie wollte man verhindern, dass sich eine Zensur schleichend auf alle Bereiche ausdehnt, die eine herrschende Politik und oder eine Elite als potenziell(!) schädlich oder gefährlich empfindet (!). Wo enden wir bitte, wenn wir eine solche - letztlich willkürliche - Entwicklung nicht einplanen, keine "Checks & Balances" implementieren, die bei Fehlentwicklungen frühzeitig "anschlagen" und gegen steuern können? Wie werden Sie als Politiker, der eine Zensur beim drastischen Einzelthema fordert, deren beliebiges Ausufern verhindern können?
Vielen Dank für Ihre Mühe,
F. Mayer
Sehr geehrter Herr Mayer,
1. Evaluation:
Beim Thema Netfilter gegen Kinderpornographie stecken wir in ersten Überlegungen und sind noch weit weg von einer Gesetzgebung. Ihren Vorschlag einer externen Evaluation nehme ich aber gerne auf. Dieses Mittel ist bereits angewandt worden, z.B. beim Terrorismusbekämpfungsgesetz. Generell halte ich aber nicht viel von solchen externen Evaluationen, weil sie sehr teuer und bürokratisch sind (Ausschreibungen, hohe Vergütung für die Externen) und im Grunde keinen Gewinn bringen. Schließlich wird jede rechtliche Regelung ohnehin in ihrer Praxis umfangreich überprüft und auf Schwachstellen untersucht - von der Verwaltung und v.a. von der Öffentlichkeit (Medien, Experten etc.) Wenn sich herausstellt, dass ein Gesetz zu kurz greift oder zu weit geht, steht es dem Gesetzgeber jederzeit frei, das Gesetz wieder abzuschaffen oder entsprechend zu ändern.
2. "Ausufern der Zensur":
Die "schleichende Entwicklung" des Rechts (hin zum Überwachungsstaat o.ä) ist ein beliebter Mythos, der wohl leider niemals aussterben wird. Eine solche schleichende, selbstläufige Entwicklung - bei einer Befugnis fängt es an, es folgen wie im Sog weitere Befugnisse - kann es gar nicht geben, weil wir in einem Rechtsstaat leben, in dem alle staatlichen Befugnisse und Zwangsmaßnahmen ausdrücklich per Gesetz definiert werden müssen! Angenommen wir hätten bereits einen Netfilter gegen Kinderpornographie und eine politische Kraft im Bundestag wollte dies z.B. auf Neonazismus ausweiten, müsste in aller Öffentlichkeit ein neues Gesetzgebungsverfahren begonnen und für diese konkrete Erweiterung Mehrheiten gefunden werden.
Und zur Gesetzgebung gehören öffentliche Debatten in Funk und Presse, kritische Kommentare und Sachverständigenurteile, Fragen und Antworten auf www.abgeordnetenwatch.de etc.etc. - letztlich entscheidet der Wähler, der die Kräfteverhältnisse im Parlament bestimmt, den Streit über konkurrierende Gesetzgebungsabsichten.
Demokratie und Öffentlichkeit: Ein effektiveres System von Checks&Balances gibt es nicht; und wir haben es bereits.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl