Frage an Hans-Peter Uhl von Stefan W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Uhl,
zunächst vielen Dank, dass Sie klare Worte finden in diesem Forum, auch wenn ich oftmals anderer Meinung bin als Sie!
Vor einigen Tagen haben Sie im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre einen mittelalterlichen Pranger für die Verantwortlichen gefordert. http://www.tagesschau.de/inland/telekom112.html
Ein solches Instrument kommt sicher gut an in der Öffentlichkeit, aber ich möchte daran erinnern, dass die Union beim Informationsfreiheitsgesetz in Sachen Transparenz nicht gerade aufs Gaspedal getreten hat, sondern zu den Bremsern gehörte. Wieso fordern Sie jetzt auf einmal Transparenz gegenüber Unternehmen?
Zeigt nicht der Telekomskandal, dass die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung erfassten Daten bei den Telekommunikationsanbietern in falschen Händen sind? Möglich, dass es sich um Verfehlungen Einzelner gehandelt hat, aber was bringen schärfere Gesetze? Die Verantwortlichen werden wissen, dass sie etwas Illegales getan haben. Ein Mörder weiß auch, dass er für seine Tat bestraft wird, aber er lässt sich davon ja nicht abhalten.
Das Problem scheint mir eher in dem überzogenen Datensammelwahn der Regierung zu liegen.
Über eine Antwort würde ich mich freuen
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Wörner
Sehr geehrter Herr Wörner,
Ihren Vergleich mit dem Informationsfreiheitsgesetz halte ich für unpassend: Das IFG hat die Auskunftspflichten von Behörden und damit die Weitergabe gespeicherter Daten ausgeweitet. Dies hat einen Zuwachs an "Transparenz" gebracht, der potentiell kollidiert mit Datenschutzinteressen.
Mir geht es im Rahmen des Telekom-Datenschutzaffäre um eine andere Form der Transparenz: Verstöße gegen Datenschutzauflagen könnten von den Vorständen betroffener Firmen unabhängig von behördlichen Ermittlungen veröffentlicht werden. Ich meine, eine dahingehende Verpflichtung könnte die Anstrengungen unterstützen, Verstößen gegen Datenschutzvorschriften intern vorzubeugen. Das hätte auch nichts mit einem "mittelalterlichen Pranger" zu tun.
Was das Pro&Contra über weitergehende strafrechtliche Sanktionen anlangt, so werden die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen weitere Erkenntnisse liefern. Womöglich stellen sich Regelungslücken heraus. Sollte dies nicht der Fall sein, brauchen wir sicherlich keinen symbolischen Gesetzgebungs-Aktionismus.
Die Vorfälle bei der Telekom haben weder von der Sache, noch vom politischen Zusammenhang her etwas mit den gesetzlichen Neuregelungen zur Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten zu tun. Letztere sind erst seit 1. Januar 2008 in Kraft, während die Sachverhalte bei der Deutschen Telekom AG die vergangenen Jahre betreffen. Von den Vorgängen betroffen sind daher nur Daten, welche die Kommunikationsunternehmen immer schon speichern und zu Abrechnungszwecken selbst nutzen durften. Auf die Telekomunikationsdaten, die zur Verfolgung schwerer und schwerster Straftaten für ein halbes Jahr gespeichert werden müssen, darf hingegen allein von Sicherheitsbehörden aufgrund eines richterlichen Beschlusses zugegriffen werden.
Jetzt können Sie natürlich sagen: Der Missbrauch (von privater Seite) an den einen Daten wird sich auch an den anderen Daten wiederholen. Doch wenn ein Mitarbeiter unbedingt Missbrauch treiben will, bedient er sich der ohnehin gespeicherten, "frischen" Daten für die Rechnungsstellung. Es macht keinen Sinn auf dieselben Daten, die in einem anderen Topf, dem Staat vorbehalten, gespeichert sind, zuzugreifen. Ähnlich einem Mitarbeiter, der Geld unterschlagen will: Warum sollte er den Tresor knacken, wenn das Geld auch in der unverschlossenen Schublade liegt?
Außerdem sollte nicht eine ganze Branche wegen den Verfehlungen in einer Firma mit Misstrauen gestraft werden. Es gibt auch auch wegen schlimmer Verfehlungen einzelner keinen Grund, die Telekom ein für allemal als unzuverlässig abzuschreiben. Es liegt in der Verantwortung des Vorstandes, in Kooperation mit staatlichen Behörden organisatorische Vorkehrungen zum Ausschluss von Datenschutzverstößen zu treffen. Die dazu erforderliche Kraft traue ich ihm - und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konzerns - zu, weil die Datensicherheit im ureigensten Geschäftsinteresse der Firma liegt.
Im Übrigen verweise ich auf meine Plenarrede vom gestrigen Tag: http://www.uhl-csu.de/bundestag/reden_im_plenum?entryid=8&template=detail Darin habe ich ausgeführt, dass der Datenschutz ernster zu nehmen ist:
1) Bürger, die freiwillig zu viele Daten preisgeben, müssen vor sich selbst geschützt werden.
2) Bürger müssen vor privatem Datenmissbrauch geschützt werden.
3) Bürger müssen zuletzt auch vor Datenmissbrauch des Staates geschützt werden.
Ich finde es jedenfalls unerträglich, wenn die Datenschutz-Problematik allein auf staatliche Behörden reduziert wird und damit Tausenden von Beamten, die den Eid auf Recht und Gesetz abgelegt haben, unterstellt wird, das Recht bei jeder sich bietenden Gelegenheit brechen zu wollen. Wenn es einen Generalverdacht in der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung gibt, dann ist es der gegen den Staat und die Staatsdiener. Und das finde ich absurd und lächerlich.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl