Frage an Hans-Peter Uhl von Ludwig M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Uhl,
mit sichtlichem Vergnügen habe sicher nicht nur ich die Bauchlandung in Sachen Diätenerhöhung für die sogenannten Volksparteien venommen.
Dass gerade Sie, welcher sicher nicht am Hungertuche nagen muss, dies als Unverschämtheit bezeichnet, müßte wohl auf das Ansinnen um weitere Diätenerhöhung anzuwenden sein. Hierzu noch einige Fragen:
Wurden Sie gezwungen den ach so anstrengenden Beruf eines Abgeordneten zu ergreifen ? Ist nicht Zwang abzulehnen ?
Haben Sie vor Ihrer Abgeordnetenzeit besser oder schlechter verdient ?
Üben Sie Ihren Beruf als Rechtsanwalt weiterhin noch aus ?
Haben Sie vergessen, dass die steuerfreie Kostenpauschale und noch weitere Privilegien auch ein nicht unerheblicher Teil Ihrer Abgeordnetenbezahlung darstellt ?
Haben Sie vergessen, dass viele Bürger, z.B. Rentner, Arbeitslose usw. einige " Nullrunden " mehr zu verkraften hatten als Ihr Abgordneten ?
Ist Ihnen überhaupt schon bewußt geworden, dass diese Art von
" Maßlosigkeit " der jetzigen Politiker die Extremparteien stärkt ?
In unserem Lande gibt es keine " Rentnerdemokratie " a la Roman Herzog, sondern eine ausufernde " Politikerdemokratie ", welche es einzudämmen gilt. Die zwangsweise Rücknahme der weiteren Diätenerhöhung sollten Sie als Beweis von " Volksdemokratie " ansehen und sich als wirklicher Demokrat hierüber auch mal freuen, auch wenn es Ihnen sichtlich schwer fällt.
MfG, Ludwig Meier
Sehr geehrter Herr Meier,
in einem Presseartikel, der später ungeprüft vervielfältigt wurde, bin ich so zitiert worden, als würde ich die Zurücknahme der Diätenerhöhung als „unverschämt“ empfinden. Dies ist natürlich nicht der Fall. Mein Ärger bezog sich in Wahrheit nicht auf die unterbleibende Erhöhung an sich, sondern auf das ungelenke Verfahren: zuerst Erhöhung beschließen, dann verschämt wieder kassieren.
Mir wäre es lieber gewesen, die SPD-Fraktion hätte sich vorher genau überlegt, welchen Standpunkt sie vertreten will. Gemeinsam hätten wir dann auf die Absicht, die Diäten an den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zu koppeln, entweder gleich verzichten oder – im anderen Fall – entschlossen dafür eintreten können.
In der Sache stehe ich zu meiner Meinung, dass eine Koppelung an das Gehalt der Landräte und Oberbürgermeister in Mittelstädten angemessen gewesen wäre. Abgeordnete im Bundestag (Gesetzgeber) repräsentieren 250.000 Bürger, Oberbürgermeister (Verwaltung) in Mittelstädten 50.000 bis 100.000 Bürger.
Darüber, ob die Größenordnung der Abgeordnetenentschädigung angemessen ist, werden die Meinungen immer auseinander gehen. Dies hängt auch mit der Besonderheit zusammen, dass die Abgeordneten über ihr Gehalt selbst bestimmen müssen. Als Gesetzgeber muss der Bundestag in diesem Fall eben in eigener Sache tätig werden – so hat es das Bundesverfassungsgericht bestimmt.
Zur Kostenpauschale: Bundestagsabgeordnete dürfen keinerlei Werbungskosten steuerlich geltend machen. Stattdessen erhalten sie eine Kostenpauschale. Eine unabhängige Kommission, der u.a. der DGB-Präsident und der Präsident des Anwaltsvereins angehörten, hat 1990 geurteilt, dass die Abkehr von der Pauschale und die Hinwendung zur Kostenerstattung und zum Werbungskostenprinzip natürlich eine höhere Einzelfallgerechtigkeit bewirken würden. Dennoch wurde die Beibehaltung der Pauschale empfohlen, da die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten bei der Wahrnehmung seines Mandats einen verfassungsmäßig sehr hohen Stellenwert hat (Art. 38 Abs. 1 GG). Wenn der Abgeordnete jedoch über jede Ausgabe mit der Bundestagsverwaltung und dem Finanzamt verhandeln müsste, wäre seine Entscheidungsfreiheit nicht sichergestellt. Das „Privileg“ der Pauschale gegenüber dem normalen Steuerbürger ist also eines, das im GG angelegt und vom BVerfG ausdrücklich anerkannt worden ist. Die Pauschale garantiert zudem Statusgleichheit unter allen Abgeordneten, weil der steuerrechtliche Werbungskosteneffekt nicht vom Diäteneinkommen allein, sondern vom jeweiligen Gesamteinkommen abhinge.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl