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Hans-Peter Uhl
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Frage von Christoph B. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Christoph B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

gestern habe ich mit Interesse die Sendung "Unter den Linden" auf Phoenix verfolgt, in der Sie die Pläne Ihres Kollegen Dr. Franz Josef Jung zum Abschuss von entführten Flugzeugen gebilligt haben.

Daher gilt die Frage auch für Sie: Gesetzt den Fall, dass es zu einer solchen Situation kommt, in der Sie ohne zu zögern sagen würden: "Ja, diese Maschine sollte abgeschossen werden, um mehr Menschenleben zu retten". Würden Sie den Abschuss auch dann Befürworten, wenn Ihre Kinder sich an Bord befänden?

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Brüning

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Brüning!

Die Äußerungen des Verteidigungsministers zum Thema Luftsicherheit rufen in Erinnerung, dass uns im Falle eines außerordentlichen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens eine rechtliche Handhabung fehlt. Die Verantwortlichen – der Minister und die Soldaten in der Befehlskette – wären nach bisherigem Stand mit allen rechtlichen und moralischen Problemen allein gelassen. Schon dass Verteidigungsminister Jung auf diesen Umstand hingewiesen hat, hat einen regelrechten „Skandal“ hervorgerufen: Moralische Empörung und Verurteilung – das ist immer die bequemste Position.

Doch ein wesentlicher Zweck des Staates ist, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist die öffentliche Diskussion sehr einseitig. Wir haben nur das Bild im Auge, dass ein mit Passagieren besetztes Flugzeug auf staatlichen Befehl hin abgeschossen wird. Aber es gibt nicht nur dieses Bild. Untrennbar mit dem Inferno des Terrors ist ein zweites Bild verbunden, das Bild von den Opfern am Boden, über denen das Flugzeug zum Absturz gebracht werden soll, das Bild von einem vollbesetzten Fußballstadion oder vielleicht das Bild von vor zwei Jahren, als der Papst auf dem Marienfeld in Köln vor 1 Million junger Menschen eine Heilige Messe zelebriert hat. Man stelle sich vor, Terroristen hätten ein Flugzeug gekapert, um es auf das Marienfeld zu steuern. Wie hätte die staatliche Gewalt in dieser Situation handeln sollen?

In einem solchen Moment steckt der Staat in einem Dilemma. Er muss auf tragische Weise entscheiden. Er kann sich nicht zurücklehnen und die Dinge ihrem Schicksal überlassen. Der Staat muss auch Zigtausende unschuldiger Menschen vor Angriffen durch Terroristen schützen.

Natürlich sind solche Dilemma-Situationen nicht theoretisch, sondern nur im konkreten Einzelfall zu entscheiden. Demnach können wir nicht wissen, ob wir je den Abschuss eines Flugzeugs, in dem sich auch Tatunbeteiligte befinden, billigen könnten. Wir können aber umgekehrt nicht mit Sicherheit vorhersagen, dass wir den Abschuss eines Flugzeugs in einer bestimmten Situation nicht gegenüber einem größeren Übel bevorzugen würden.

Wir alle können nur hoffen, dass eine Situation wie der 11. September 2001 nie wieder eintritt. Wenn sie aber doch wieder eintreten sollte, könnte eine Entscheidung für den Abschuss sich nur auf den „übergesetzlichen Notstand“ berufen. Ich glaube, dass eine solche Entscheidung unter Umständen verantwortbar und richtig sein kann (nicht muss!).

Deshalb sollte eine solche Entscheidung rechtlich möglich sein und sich nicht auf den übergesetzlichen Notstand berufen müssen. Doch dafür bräuchten wir eine Grundgesetzänderung. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schließt dies nicht aus. Das Urteil über das rot-grüne Gesetz untersagt es zwar, menschliches Leben gegeneinander abzuwägen in den Grenzen des Rechts der Gefahrenabwehr. Ausdrücklich nicht hat das Gericht darüber entschieden, was wir gegen Angriffe unternehmen dürfen, die „auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind.“ Das gilt auch für terroristische Akte, die in ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung – nicht nur durch Sach- und Personenschäden, sondern auch in ihren psychologischen Auswirkungen – zu vergleichen sind mit dem Verteidigungsfall. Für solche Fälle trifft das Bundesverfassungsgericht bewusst keine Aussage.

Bundesinnenminister Schäuble hat dazu einen Vorschlag vorgelegt für eine Grundgesetzänderung im Artikel 87a GG: Die Streitkräfte sollen in die Lage versetzt werden, nicht nur im Verteidigungsfall, sondern auch zur Bekämpfung außerordentlicher terroristischer Anschläge mit militärischen Kampfmitteln zu handeln. In diesem Fall gelten die Beschränkungen des Rechts der Gefahrenabwehr nicht mehr.

Ich hoffe, dass wir angesichts der terroristischen Bedrohung den Ernst der Lage erkennen. Der Minister hat die Verantwortung, unter der er steht, wahrgenommen und sich zu ihr bekannt. Jetzt ist das Parlament an der Reihe, seine Verantwortung ernst zu nehmen.

Zu Ihrer Frage: Niemandem geht es darum, "ohne zu zögern" loszuschießen.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Uhl