Frage an Hans-Peter Uhl von Stefan B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
"Wer Sicherheit mit allen Mitteln gewährleisten will, der stellt alles zur Disposition, was der Rechtsstaat an Regeln zur Vorbeugung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten eingeführt hat. Wer hier den grossen Kehraus veranstaltet, der kehrt, angeblich oder vermeintlich zur Verteidigung des Rechtsstaats, genau das weg, weswegen dieser Rechtsstaat verteidigt werden muss. Dann stirbt die Freiheit an ihrer Verteidigung. Was die westlichen Demokratien als Kampf gegen den Terrorismus bezeichnen, ist eher eine Flucht vor dem Terrorismus. Sie stellen sich der Bedrohung, indem sie vor ihr davonlaufen und dabei die Werte wegwerfen, auf die sie einst stolz waren. Der Westen ist, im canettischen Sinn, eine Fluchtmasse. Dem Terrorismus standhalten verlangt aber: an den Grundsätzen des Rechtsstaats festhalten. Der starke Staat ist der Staat, der seine Regeln verteidigt, nicht der, der sie aufgibt.
In einem masslosen Staat gibt es vielleicht ein wenig mehr Sicherheit, aber ganz sicher sehr viel weniger Freiheit. Ein Staat, der ständig sein Recht verkürzt und in dem Grundrechte dem Bürger nur noch dem Grunde nach zustehen, ist nicht stark, sondern schwach. Er hat keine Autorität mehr, sondern verliert sie in dem ständigen Versuch, sie legislativ zu beweisen. Das legislative Heilmittel gegen den Terrorismus gibt es nicht.
Stark ist also nicht der Staat, der seinen Bürgern mit einem Generalverdacht gegenübertritt und der grundsätzlich jedem misstraut. Stark ist der Staat, der seine Prinzipien mit kühlem Kopf verteidigt. Dieser Staat muss seinen Bürgern alle Wachsamkeit versprechen – und dieses Versprechen halten; und er muss seinen Bürgern die Wahrheit sagen: dass er, bei aller Wachsamkeit, Risiken nicht ausschalten kann. [...] "
(Heribert Prantl, http://www.nzzfolio.ch )
Nun meine Frage bez. Gesetzesänderungen BKA-Befugnisse: Warum versuchen unsere Politiker nicht einfach, die Aussage des obigen Textes zu verstehen und zu verinnerlichen? Die Grenze des Tragbaren ist gefährlich nahe. Es reicht!
Sehr geehrter Herr Biermeier,
Herr Prantl ist für mich kein unfehlbarer Heiliger. Sein Wort ist mir nicht Befehl.
Im Übrigen steht es überhaupt nicht zur Debatte, die "Grundsätze des Rechtsstaats" aufzugeben. Niemand - zumindest niemand in der CDU/CSU-Fraktion und in der Bundesregierung - will unsere "Werte" wegwerfen; im Gegenteil: wir wollen sie verteidigen.
Außerdem hat niemand behauptet, dass man durch staatliches Handeln jemals "Risiken ausschalten" könne.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sich nicht so sehr von Terroristen, sondern eher durch staatliches Handeln bedroht fühlen. Aber erwarten Sie nicht, dass ich dies "verstehen und verinnerlichen" werde. Ich lebe nicht in einem Überwachungsstaat, sondern in einem vorbildlichen Rechtsstaat mit höchst entwickelter Gewaltenkontrolle. Sie stellen dies anscheinend in Frage; ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Uhl