Frage an Hans-Peter Uhl von Andrea N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
bald steht die Entscheidung im Bundestag zum Bleiberecht, bzw. der Novellierung des Aufenthaltsgesetzes an. In diesem Zusammenhang bitten wir Sie uns Ihre Position zu diesem Thema zu erläutern.
Auf Ihrer Website ist zu lesen: "Bevor wir weitere Zuwanderung in engen Grenzen zulassen können, müssen wir uns zuerst um die Integration der Ausländer kümmern, die schon bei uns sind." Wie könnte Ihrer Meinung nach die erfolgreiche Integration von langjährig Geduldeten aussehen? Der Beschluss der Innenministerkonferenz bedeutet einen einmaligen "Gnadenerlass", der nur für Menschen gilt, die vor einem bestimmten Stichtag eingereist sind. Eigentlich sollte das Zuwanderungsgesetz die Praxis von "Kettenduldungen" abschaffen, bislang ist das leider nicht passiert - und die Situation ist für die ungefähr 200.000 Geduldeten unerträglich. Wie stehen Sie zu der Alternative eines verankerten Rechtsanspruchs auf gesicherten Aufenthalt, der auch später eingereisten ein "Hineinwachsen" in ein Aufenthaltsrecht ermöglicht?
Um ein Bleiberecht zu erhalten, muss der zuvor Geduldete Arbeit finden - das würden die Betroffenen ja auch sehr gerne, aber nur allzu oft ist es ihnen aus Mangel an Arbeitsplätzen nicht möglich. Die inhumane Konsequenz ist dann, dass eine Familie, die mehr als sechs Jahre hier lebt und Kinder hat, die hier geboren wurden und zur Schule gehen, abgeschoben wird - finden Sie das angemessen und menschenwürdig, geschweige denn christlich und barmherzig?
Eine Fülle von Ausschlusskriterien führt dazu, dass die meisten Geduldeten kein Bleiberecht erhalten - wie stehen Sie dazu?
Nicht zuletzt werden im Zuge der Bleibrechtsregelung weitere Verschärfungen im Ausländerrecht angekündigt - glauben Sie, dass derartige Neuregelungen tatsächlich zur besseren Integration beitragen werden?
A. Naica-Loebell
Karawane München
Sehr geehrte Frau Naica-Loebell,
in der Tat arbeitet die große Koalition aktuell an einem Kompromiss zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher EU-Richtlinien, der im Paket mit Beschränkungen beim Familiennachzug und einigen integrationspolitischen Maßnahmen auch eine Altfallregelung zum Bleiberecht von Geduldeten enthalten soll.
Nach der gesetzlichen Altfallregelung soll eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 31.12.2009 erteilt werden. Die Voraussetzungen orientieren sich in einigen Punkten, wie z.B. bei den Voraufenthaltszeiten (6 Jahre bei Familien, 8 Jahre bei Unverheirateten) sowie bei den Ausschlussgründen am IMK-Beschluss vom November 2006. Wenn die Betroffenen entweder bis Ende 2009 ihren Lebensunterhalt überwiegend oder in den letzten neun Monaten vollständig gesichert haben, kann nach der gesetzlichen Altfallregelung ein dauerhaftes Bleiberecht gewährt werden.
Dies wäre ein einmaliges, pragmatisches Entgegenkommen der Politik gegenüber langjährig Geduldeten, die ausreisepflichtig sind aber nicht abgeschoben werden können.
Generell kann es nicht darum gehen, Geduldete zu integrieren. Integration ist zwar ein wichtiges, bislang unzureichend verfolgtes politisches Ziel. Es bezieht sich jedoch auf Ausländer, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erworben haben. Bei ausreisepflichtigen Ausländern muss es zunächst darum gehen, nach Recht und Gesetz den Aufenthalt möglichst zu beenden.
Nicht zu übersehen ist, dass Geduldete in aller Regel das Asylverfahren durchlaufen und den Rechtsweg bereits ausgeschöpft haben. D.h., dass letztinstanzlich geurteilt wurde, dass ein Asylgrund nicht vorliegt und der betreffende Ausländer wieder in seine Heimat ausreisen muss.
Unser Asylrecht, das in weltweitem Maßstab einen einzigartigen Rechtsschutz für den Antragsteller vorsieht – einschließlich individueller Klagemöglichkeit –, würde ad absurdum geführt, wenn ablehnende Entscheide nicht umgesetzt würden. Das ganze Verfahren würde zur Farce. Das Ergebnis wäre eine Art „Weltbürgerrecht auf freie Niederlassung“. So etwas wäre aber ganz und gar unpraktikabel und hätte verheerende Folgen für unser Land. Die Akzeptanz der Zuwanderung auf dem Wege des Asylrechts hängt vielmehr entscheidend von seiner konsequenten Kontrolle ab.
Demnach darf die Politik keine falschen Anreize setzen und die Regeln zur Zuwanderungsbeschränkung nicht selbst aushöhlen. Schon eine einmalige Altfallregelung – und sei sie noch so begrenzt – ist im Grunde rechtswidersprüchlich und daher problematisch.
Zum Mindesten muss das Ziel im Vordergrund stehen, die Belastung der Sozialkassen im Saldo zu verringern. Diese Chance bietet sich, wenn die Geduldeten die Möglichkeit erhalten, zu arbeiten statt weiterhin Sozialleistungen zu empfangen. Schließlich lehrt die Erfahrung, dass nur eine Minderheit der hier seit über 6 bzw. 8 Jahren lebenden Geduldeten abgeschoben werden kann.
In der modernen Welt kann es keine Abschottung geben, weder gegen Asylbewerber noch sonst. Doch ohne Begrenzung und Kontrolle geht es nicht. Die Politik darf sich mit der Zuwanderung in die Sozialsysteme nicht abfinden. Dies wäre weder sozial, noch christlich oder barmherzig, weil es die berechtigten Interessen aller untergräbt, die hier – als Deutsche oder Ausländer – mit Steuern und Beiträgen die Sozialsysteme aufrechterhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Uhl, MdB