Frage an Hans-Peter Uhl von Samuel M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie auf dem Forum abgeordnetenwatch.de mit Bürgern in Kontakt treten, obwohl Sie dieses eigentlich nicht befürworten.
Sie nennen abgeordnetenwatch.de eine Aufpasserorganisation, und kommen zum Schluss, ich zitiere sie etwas aus dem Kontext gerissen: "Eine Gesellschaft würde unfrei, wenn sie auf die Unvollkommenheit des Menschen und der Gesellschaft mit immer mehr Aufpasserorganisationen reagieren würde."
Aber ist das leider nicht genau das der Weg, den die Bundesregierung eingeschlagen hat? Ich nenne ein paar Beispiele:
- Parteien passen auf, dass Volksvertreter sich dem Fraktionszwang unterwerfen, statt nach ihrem besten Wissen und Gewissen entscheiden zu dürfen
- Gesetze zur Bestandsdatenauskunft, zum Meldewesen, zur Vorratsdatenspeicherung und neue Geheimdienstkoordinationszentren etc. geben der Regierung diverse "Aufpasserrechte" jenseits richterlicher Kontrolle und diskussionswürdiger Verhältnismäßigkeit
Gleichzeitig versagen staatliche Aufpasserorganisationen, die zum Schutz der sozialen Marktwirtschaft und der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung eingerichtet wurden: So werden seit Jahren jenseits wirtschaftlicher Vernunft insolvente Bankinstitute durch die EZB vor dem Konkurs bewahrt; die Geheimdienstaufsicht und Justiz scheitert an der Aufarbeitung illegaler Handlungsweisen deutscher Behörden. Nicht zuletzt hat die Bundesregierung in den letzten Jahren eine Reihe letztlich verfassungswidriger Gesetzesvorhaben durch den Bundestag gebracht.
Wie würden Sie als einfacher Bürger in dieser politischen Situation handeln, wenn nicht durch eigenfinanzierte Medienorganisationen, die sich Bemühen, das Handeln der Bundesregierung und des Bundestages für den Bürger transparent halten?
Mit freundlichen Grüßen,
Vielen Dank für Ihr Engagement,
Samuel Michaelis
Sehr geehrter Herr Michaelis,
Ihre Überlegungen habe ich mit Interesse gelesen. Sie unterscheiden sich wohltuend von manchen anderen Beiträgen, die mich zu diesem Thema erreicht haben.
Sie haben meinen Grundgedanken bestmöglich zusammengefasst: "Eine Gesellschaft würde unfrei, wenn sie auf die Unvollkommenheit des Menschen und der Gesellschaft mit immer mehr Aufpasserorganisationen reagieren würde."
Sie wissen natürlich genauso gut wie ich, dass eine staatliche Kontrollordnung nötig ist. Sie sollte natürlich verfassungskonform und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit arbeiten. Die Staatsbürger sind aufgerufen, einen lebendigen Kontakt zu ihrem Abgeordneten zu halten, genauso wie dies der Abgeordnete gegenüber den Bürgern erfüllen muss.
Eigenfinanzierte Medienorganisationen, die sich bemühen, das Handeln der Bundesregierung und des Bundestages für den Bürger transparent zu halten, wie Sie dies formulieren, können dabei sicher eine Hilfe sein. Die Art und Weise wie dies Abgeordnetenwatch wahrnimmt, überzeugt mich allerdings nicht. Dazu habe ich mich ja bereits geäußert. Allein die Bezeichnung "Abgeordnetenwatch" ist eine Anmaßung und vom Begriff her eine Ungezogenheit.
Ihren einzelnen Anmerkungen stimme ich teilweise zu.
Der Druck der Fraktionsführungen auf die Abgeordneten ist nicht selten zu groß. Bei der Abwägung zwischen Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit einerseits und dem freien Mandat andererseits werden Fehler gemacht.
Den von Ihnen im zweiten Spiegelstrich kritisierten Gesetzen stehe ich im Gegensatz zu Ihnen positiv gegenüber. Sollten sie im Einzelfall den vom Grundgesetz gesteckten Rahmen sprengen, hat das Bundesverfassungsgericht stets seine Aufgabe wahrgenommen.
Ihre Kritik an der EZB teile ich.
Geheimdienstaufsicht und Justiz werden nicht immer optimal handeln, die Situation in Deutschland kann im weltweiten Vergleich jedoch sicher als vorbildhaft bezeichnet werden.
Zur Prüfung einer Verfassungswidrigkeit von Gesetzen sind der Bundespräsident und das Bundesverfassungsgericht aufgerufen und diese Kontrollmechanismen funktionieren ja auch.
Ich habe mich gefreut auf diesem Wege mit Ihnen in Kontakt zu treten.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Hans-Peter Uhl, MdB