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Hans-Peter Uhl
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Frage von Henning H. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Henning H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, daß unser Rechtssystem durch sog. Schiedsgerichte, wie sie im Freihandelsabkommen USA-EU vorgesehen sind und die keine Berufung zulassen, ausgehebelt wird? Sind Sie der Ansicht, daß mit dem einseitigen (nichtgerichtlichen) Klagerecht für Konzerne deren Macht unvertretbar erweitert wird?

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CSU

Sehr geehrter Herr Hintze,

die Gefahr, dass Schiedsgerichte im Rahmen von Investitionsschutzverträgen (im Rahmen des Freihandelsabkommens) unser Rechtssystem aushebeln, nehme ich Ernst, halte sie jedoch für sehr gering. Keinesfalls wäre dies aber zu akzeptieren. Zum Thema möchte ich wie folgt Stellung nehmen.

Beide Wirtschaftsräume (EU und USA) sind hinsichtlich ihrer Kosten- und Produktivitätsstrukur sehr ähnlich. Also sind Lohnstückkostenunterschiede nicht erheblich für die Handelsbeziehungen. Wichtig sind stattdessen Zölle und vor allem nicht-tarifäre Handelsbarrieren wie z.B. unterschiedliche Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Für kleine und mittlere Unternehmen wäre es weitaus wichtiger, dass nicht-tarifäre Handelsbarrieren reduziert bzw. abgeschafft werden: Viele Unternehmen können es sich nicht leisten, ihre Erzeugnisse für den amerikanischen Markt separat zu entwickeln und zu produzieren. Die nicht-tarifären Handelshemmnisse können nur in einem bilateralen Freihandelsabkommen geregelt werden und nicht durch multilaterale Verhandlungen im Rahmen der WTO, weil dort nur die Zölle Verhandlungsgegenstand sind. Grundsätzlich gibt es also keine verfahrensmäßige Alternative zum Freihandelsabkommen mit den USA.

Investitionsförderungs- und -schutzverträge (IFV) sind völkerrechtliche Verträge, die in der Regel zwischen zwei Staaten geschlossen werden. Sie haben sich als hilfreiches Instrument bewährt, das international das Vertrauen von Investoren in Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit im Anlageland stärkt.

Neuere IFV stellen für Investor-Staat-Schiedsverfahren verschiedene Schiedsforen und -regeln zur Verfügung. Einige der IFV verweisen ausschließlich auf ICSID-Verfahren (International Center für the Settlement of Investment Disputes). ICSID ist Teil der Weltbankgruppe. Die ICSID-Konvention wurde von 143 Staaten ratifiziert. Neben den ICSID-Schiedsregeln sehen IFV oftmals auch die Anwendbarkeit der Schiedsregeln der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) vor.

Die Schlichtung investitionsschutzrechtlicher Streitigkeiten kann nicht pauschal als intransparent angesehen werden. Eine unparteiische, effektive und rasche Streitbeilegung auf Basis vorab definierter Regeln ist neben den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ein wichtiger Faktor für Investitionen von Unternehmen im Ausland. Ansonsten würden die Investitionsschutzverträge ja ihr Ziel – stärkere wirtschaftliche Verflechtung – verfehlen und ins Gegenteil verkehren. Die Verfahrensregeln solcher Schiedsverfahren sind in den Schiedsgerichtsordnungen (wie z. B. UNCITRAL und ICSID) transparent niedergelegt. Zur Stärkung der Transparenz von Investor-Staats-Schiedsverfahren wurden bereits im Jahr 2006 die Arbitration Rules zur ICSID-Konvention um Transparenzbestimmungen ergänzt. Anders als in vielen nationalen Gerichtsverfahren üblich, berichtet das ICSID-Sekretariat regelmäßig über den Stand anhängiger ICSID-Schiedsverfahren.

So ist der ICSID-Generalsekretär gemäß Artikel 22 der ICSID Administrative and Financial Regulation verpflichtet, Informationen über die Registrierung, Einleitung, Beendigung sowie Art der Beendigung eines Schiedsverfahrens binnen einer angemessenen Frist zu veröffentlichen. Des Weiteren veröffentlicht der Generalsekretär der ICSID mit Einverständnis beider Parteien die nach ICSID- Schiedsregeln ergangenen Schiedsurteile. Wird kein Einverständnis erreicht, so veröffentlicht der Generalsekretär Auszüge aus der Begründung des Schiedsurteils. Die Veröffentlichung dient der Fortentwicklung des Völkerrechts im Hinblick auf das Investitionsschutzrecht. Die von ICSID zu Schiedsverfahren veröffentlichten Dokumente finden Sie hier:
https://icsid.worldbank.org/ICSID/FrontServlet?requestType=CasesRH&actionVal=ShowHome&pageName=Cases_Home

Auch im Rahmen der UNCITRAL fanden Beratungen mit gleicher Zielsetzung statt. So hat die UNCITRAL-Arbeitsgruppe II (Arbitration and Conciliation) vor kurzem ein umfassendes Regelwerk zur stärkeren Beteiligung der Öffentlichkeit bei Investor-Staat-Schiedsverfahren verabschiedet. Dieses sieht eine umfängliche Information der Öffentlichkeit über laufende Schiedsverfahren wie auch die Möglichkeit der Beteiligung so genannter amicus curiae vor. Die Bundesregierung hat sich in der UNCITRAL Arbeitsgruppe nachdrücklich für einen raschen Abschluss der Verhandlungen eingesetzt. Nähere Informationen zu diesem Regelwerk sind abrufbar unter:
http://www.unis.unvienna.org/unis/pressrels/2013/unisl186.html

Die EU-Kommission beabsichtigt, in EU-Abkommen mit Investitionsschutzbestimmungen umfangreiche Transparenzpflichten aufzunehmen und sich dabei an den neuen UNCITRAL Regeln zu orientieren.

In Bezug auf das Freihandelsabkommen gehört Investitionsschutz nicht zu den Interessen Deutschlands, da die USA als OECD-Staat EU-Investoren hinreichend Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren und US-Investoren in Deutschland hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten vor nationalen Gerichten besitzen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung keine Notwendigkeit von Verhandlungen über Investitionsschutz im Rahmen von TTIP gesehen. Aufgrund des positiven Votums im Bericht der High Level Group - dieser spricht sich für die Aufnahme von Verhandlungen über Investitionsschutz aus - und der Mehrheitsverhältnisse im Rat war es jedoch nicht möglich, im Mandat Verhandlungen über den Investitionsschutz auszuschließen. Eine endgültige Entscheidung über die Aufnahme von Investitionsschutzbestimmungen einschließlich Bestimmungen über Investor-Staat-Schiedsverfahren in das Abkommen wird nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses und Evaluierung durch die Mitgliedstaaten erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen
Uhl