Frage an Hans-Peter Uhl von Karl H. E. bezüglich Soziale Sicherung
sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
als angehender Rentner (in 3 Jahren) kann ich meinen derzeitigen Lebensstandard bei Weitem nicht halten. Ich werde gezwungen sein aus München wegzuziehen.
Sind Sie der Meinung dass es richtig und gerecht ist die Renten wie vorgesehen immer weiter abzusenken?
mit freundlichen Grüßen
Karl H. Eder
Sehr geehrter Herr Eder,
die Renten wurden seit Bestehen der Bundesrepublik noch nie gekürzt. Aber natürlich haben Sie Recht: Die Rentenreformen von 2001 und 2004 haben eine langfristige Senkung des Rentenniveaus (= gesetzliche Rente im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen) eingeleitet. Die Rente wird nunmehr nicht dynamisch erhöht – entsprechend der Lohnentwicklung -, sondern wird mit dem so genannten Nachhaltigkeitsfaktor berechnet: Die Rentenentwicklung wird also nicht nur von den Einnahmen der Rentenversicherung, sondern auch von der demographischen Entwicklung abhängig gemacht, also vom Zahlenverhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern. Dies schränkt den Spielraum für Rentenerhöhungen ein. Auf diese Weise hatten wir seit zehn Jahren eine Entwicklung der Renten, die hinter der Inflation zurückgeblieben ist. Besonders bitter und unbefriedigend ist, dass auch in diesem Jahr die gute Arbeitsmarktlage sich noch nicht in der Rente niedergeschlagen hat.
Diese Entwicklung ist natürlich bedrückend und alles andere als ein Ruhmesblatt für die Politik; allerdings hat die Politik die gesellschaftliche Entwicklung, insbesondere die demographische Entwicklung nicht in der Hand: Mitte 2012 gab es in Deutschland etwa 20,6 Millionen Rentner. Demgegenüber stehen etwa 35,4 Millionen Beitragszahler.
Die Politik musste einfach reagieren: Ohne den Nachhaltigkeitsfaktor würde der Rentenbeitragssatz unkontrollierbar ansteigen – mit dramatischen Folgen für die Beschäftigungssituation. Umgekehrt hat die Rücksicht auf die Beitragssatzstabilität in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Rentenkasse wieder in ruhiges Fahrwasser gekommen ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren direkt von der Konsolidierung der Rentenversicherung: Zum 1. Januar 2013 ist der Rentenbeitrag von 19,6 auf 18,9 Prozent gesenkt worden – das ist eine jährliche Entlastung von mehr als 6 Milliarden Euro für Beschäftigte und Unternehmen. Dies ist ein wichtiger Beitrag zu der Entwicklung, dass wieder mehr Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, und zwar in regulären (Voll-) Arbeitsverhältnissen. Auch die Rentner werden mit Zeitverzögerung von dieser Entwicklung profitieren: Für 2014 rechnet das Kieler Institut für Weltwirtschaft schon jetzt mit einem Rentenanstieg von 2,8 Prozent in Westdeutschland und 3,3 Prozent in Ostdeutschland. Laut Rentenversicherungsbericht 2012 sind in allen künftigen Jahren Rentenerhöhungen möglich.
Außerdem haben wir im Bund politische Prioritäten gesetzt und immer größere Teile des Haushalts zur Stützung der Rentenkasse verwendet. Auf diese Weise werden Rentner und Beitragszahler nicht allein gelassen mit den Folgen der demographischen Entwicklung, sondern die Gesamtheit der Steuerzahler übernimmt hierbei solidarisch einen Teil der Rechnung:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/staatsausgaben-wie-die-rente-den-bundeshaushalt-eroberte-12557814.html
Zudem gibt es seit zehn Jahren auch Fördermaßnahmen, mit denen der Aufbau einer individuellen ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge begünstigt wird. Nach den Vorausberechnungen des Rentenversicherungsberichts 2012 sinkt damit zwar das Sicherungsniveau vor Steuern ab, liegt aber noch innerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Das gesamte Versorgungsniveau aus Sicherungsniveau vor Steuern einschließlich einer Riester-Rente für Rentenzugänge kann allerdings über den gesamten Vorausberechnungszeitraum über die nächsten 15 Jahre oberhalb der Größenordnung des Jahres 2008 bei knapp 52 Prozent gehalten werden.
Der Alterssicherungsbericht, den die Bundesregierung alle vier Jahre vorlegt, zeigt, dass nur sehr wenige der heutigen Rentnerinnen und Rentner von Altersarmut bedroht oder betroffen sind. Nur rund 2,6 Prozent der Personen ab 65 Jahren waren Ende 2011 in Deutschland auf ergänzende Grundsicherung im Alter angewiesen. Zu beachten ist im Übrigen, dass nur etwa die Hälfte der Bezieher von Grundsicherung im Alter überhaupt Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und damit für ihr Alter vorgesorgt haben. Vor allem Frauen, die z. B. aufgrund von Kindererziehungszeiten nicht berufstätig waren oder nur in Teilzeit gearbeitet haben, und Geringverdiener haben aber oftmals nicht genug, um einen ausreichenden Lebensstandard im Alter zu sichern. Um hier entgegenzuwirken, wollen wir Niedrigrenten für langjährig Berufstätige und diejenigen Personen aufstocken, die den Beruf für die Kindererziehung zurückgestellt haben. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss einen Rente über dem Existenzminimum haben.
In diesem Zusammenhang muss man bedenken, dass eine niedrige gesetzliche Rente nicht zwangsläufig mit Altersarmut gleichzusetzen ist, denn Armut ist stets im gesamten Haushaltskontext zu sehen. Zu einer gesetzlichen Rente kommen oft noch Einnahmen aus betrieblicher und/ oder privater Altersvorsorge sowie andere Einkünfte wie Zinsen oder Mieten. Nach dem Fünften Alterssicherungsbericht verfügen Ehepaare und Alleinstehende, die 65 Jahre oder älter sind, im Durchschnitt über ein Haushaltseinkommen von 1818 Euro netto im Monat. Das häufige Vorkommen von gesetzlichen Renten unter 700 Euro beruht zu einem erheblichen Anteil darauf, dass Versicherte nur kurze Zeit in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Hierzu zählen etwa Selbständige, die nur kurz rentenversicherungspflichtig gewesen sind und dann anderweitig für ihr Alter vorgesorgt haben.
In Bezug auf die rentenpolitischen Vorstellungen, welche die SPD in diesem Bundestagswahlkampf vertritt, kommt das Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in einer Studie vom Juni zu folgendem Fazit:
„Insgesamt führt das rentenpolitische Paket der SPD selbst bei einer vorsichtigen Bewertung der Einzelmaßnahmen zu Mehrbelastungen der Rentenversicherung von gut 30 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kämen Zusatzlasten für den Steuerzahler, die bis zum Jahr 2030 auf etwa 10 Milliarden Euro per anno anwachsen. Fünf Jahre nach der Einführung summiert sich die zusätzliche Beitragsbelastung – bei einem linear ansteigenden Verlauf – auf 9,8 Milliarden Euro, die zusätzliche Belastung des Steuerhaushaltes auf weitere 2,9 Milliarden Euro. Während die Bundesregierung bislang noch davon ausgeht, dass erst ab 2020 der Beitragssatz über die 20-Prozent-Marke hinaus steigen wird, ist bei Umsetzung des SPD-Programms möglicherweise bereits mittelfristig mit einem Reißen der gesetzlichen Beitragssatz-Obergrenze zu rechnen. Spätestens zwischen den Jahren 2021 und 2030 droht aber die dann gültige Grenze von 22 Prozent überschritten zu werden.“
Mit besten Wünschen und Grüßen
Ihr
Hans-Peter Uhl