Frage an Hans-Peter Uhl von Günter M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Dr. Uhl,
ich habe durch Anstrengung erreicht, dass ich trotz gesundheitlicher Einschränkungen mein Geld selbst verdiene. Ich erzog meine Kinder zu vorbildlichen Mitbürgern, die auch ehrenamtlich tätig sind.
Nunmehr bin ich etwas über 50 Jahre alt. Da ich meinen Arbeitsplatz wechseln musste, weil die gesundheitlichen Einschränkungen zu enorm wurden, hatte ich keinen Kündigungsschutz. Mein Arbeitgeber sagte mir unmissverständlich, dass er lieber Spanier einstellt.
Gestern war nun den Medien zu entnehmen, dass die Zuwanderung auf über 1 Mio. im Jahr 2012 angestiegen ist. Wie Sie dem Link entnehmen können, begrüßte das Frau von der Leyen und bezeichnet das als "Glücksfall": http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_63287564/deutschland-zuwanderungsstrom-fuer-ursula-von-der-leyen-gluecksfall-.html
Ich bin es leid, dass die offiziell 3 Mio. Erwerbslose, plus die Erwerbslosen die die Statistik nicht erfasst, als Bagatelle abgetan werden. Viele Menschen sind schon lange erwerbslos, auch durch widrige Umstände. Eine marktnahe Qualifizierung bzw. individuelle Lösungen erfolgen meistens nicht.
Wie kann es sein, dass man nach den hier lebenden Menschen kaum schaut, aber die Bundesagentur für Arbeit z.B. gezielt in Spanien Menschen anwirbt? Ich bin kein Ausländerfeind, aber ich finde es unverschämt, dass die jungen und gesunden Zuzügler die anderen langsam verdrängen bzw. andere gar keine Möglichkeiten haben am Erwerbsleben teil zu nehmen. Daher wähle ich künftig nicht mehr die Union sondern die AfD!
Zwei Drittel der Renten sind Versicherungsleistungen, 1/3 der Renten werden aus Steuermitteln bezahlt. Wenn die Zuzügler als Rentner wieder nach Hause gehen, wird ihnen aber genauso viel überwiesen, wie den Leuten die hier leben. Warum bekommen z.B. Thailänder die dort 20% der hiesigen Lebenshaltungskosten haben, 100% der Rente? Kann es sein, dass die Entvölkerung im südl. Europa zu Problemen führt?
Mit freundlichen Grüßen
Günter Möder
Sehr geehrter Herr Möder,
zunächst muss ich Ihnen in puncto Auslandsrente widersprechen. Ein Thailänder, der eine deutsche Rente bezieht, erhält diese nicht zu 100%, sondern nur zu 70%. So ist dies in allen Nicht-EU-Ländern, mit denen Deutschland kein Sozialversicherungsabkommen unterhält. Weitere Informationen dazu in folgender Fundstelle:
http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/211836/publicationFile/22944/06-Verzug-ins-Auslang_DL.pdf
Wenn Sie Ihren konkreten Arbeitsplatz verloren haben, so bedaure ich dies sehr. Wenn Sie tatsächlich durch einen Spanier ersetzt worden sind – kann man das so direkt sagen? –, so hätte ich Verständnis für Ihre Bitterkeit.
Ich habe als Abgeordneter immer Widerstand geleistet gegen einseitige, lobbymäßig gesteuerte Forderungen nach laxeren Regeln für den Zuzug von Arbeitskräften aus dem (Nicht-EU-) Ausland; genau aus den Gründen, die Sie anführen: Wir haben im Inland genügend Arbeitslose und auch genügend nicht bzw. schlecht integrierte Zuwanderer. Somit ist die Union die einzige Kraft im Bundestag, die Zuwanderung weiterhin situativ steuern möchte unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitsmarkts. Alle anderen Parteien fordern aus unterschiedlichen Gründen generelle Erleichterungen für Zuwanderer aus Drittstaaten (Nicht-EU-Länder), etwa in Gestalt eines zweifelhaften ‚Punktesystems‘.
Was EU-Bürger, etwa aus Spanien, anlangt, so müssen wir jedoch die Augen öffnen für den Umstand, dass die Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU zu den Grundfreiheiten und somit zum Kern des Binnenmarkts gehört. Zwar waren Arbeitnehmer bislang de facto wesentlich weniger mobil als es die gehandelten Waren, Dienstleistungen oder das Kapital sind, die wie selbstverständlich die innereuropäischen Grenzen überschreiten. Grundsätzlich ist der Binnenmarkt jedoch von Anfang an so gedacht (und auch nicht anders funktionsfähig), dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich grenzüberschreitend suchen und finden dürfen. Natürlich bedeutet dies in gewisser Weise, dass inländische Arbeitnehmer zusätzliche Konkurrenz aus dem EU-Ausland erfahren. Aufgrund der muttersprachlichen Deutschkenntnisse und der viel besseren Bildungs- und Ausbildungschancen in Deutschland ist der Inländer in der Regel jedoch klar im Vorteil z.B. gegenüber einem Spanier (dort gibt es z.B. kein qualitativ vergleichbares System beruflicher Bildung). Wenn jedoch ein Spanier Fähigkeiten mitbringt, die hier gefragt sind und sich die Mühe gemacht hat, leidlich deutsch zu lernen, so können wir ihn nicht hindern, hier eine Anstellung zu finden. Ansonsten müssten wir konsequenterweise auch auf alle Vorteile verzichten, die die grenzüberschreitende Arbeitsteilung für deutsche Produzenten und Konsumenten mit sich gebracht hat.
Als „Glücksfall“ für Deutschland erscheint mir die Zuwanderung aus der EU und aus Drittstaaten nur, insofern damit ein für die Produktion notwendiger Personalbedarf gedeckt werden kann, der im Inland nicht zur Verfügung steht. Es gehört zur Wahrheit, dass z.B. für den wachsenden Bedarf an Arbeitskräften in der Altenpflege kein entsprechendes Interesse im Inland besteht. Außerdem hat der jüngste Berufsbildungsbericht auch offengelegt, dass für viele ehrenwerte Berufe wie Bäcker, Metzger und Köche trotz hervorragender Beschäftigungschancen leider nicht genügend geeignete Bewerber aus dem Inland bereit stehen.
http://www.bmbf.de/de/berufsbildungsbericht.php
Unklar ist mir, welchen Vorteil Sie sich von einer Stimmabgabe für die AfD versprechen. Schließlich ist auch die AfD nicht so tollkühn, aus dem EU-Binnenmarkt ausscheiden zu wollen. Wie jüngst zu erfahren war, will die AfD auch nicht, dass Deutschland aus dem Euro ausscheidet, sondern nur, dass Krisenländer wie Spanien ausscheiden. Abgesehen davon, dass dies für Spanien wohl keine gute Empfehlung wäre, würde sich durch eine solche Maßnahme die Zahl spanischer Einwanderer (aus Not) in Deutschland sicherlich noch drastisch erhöhen.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl