Frage an Hans-Peter Uhl von Jochen P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Uhl,
Warum behaupten Sie, dass es sich aus finanziellen Gründen für Adresshändler nicht lohnt die Meldeamtsdaten zu kaufen. obwohl es die Powerseller bei der AKDG mit allen Melderegisterdaten gibt? (Preise leider nicht gefunde)
Sehr geehrter Herr Pape,
in der Tat dürfte das Angebot der AKDB Melderegisterauskünfte vereinfachen: http://www.akdb.de/fileadmin/akdb/docs/produktblatt/akdb_zema_0611.pdf (Das betrifft übrigens alles das bereits GELTENDE Recht.)
Die Gebühren richten sich gleichwohl nach der Satzung der jeweiligen Gemeinde, sind also nicht einheitlich.
Zu bedenken ist nach meiner Einschätzung folgendes:
Ich finde die Widerspruchslösung im Melderecht in Bezug auf die Adressauskunft zu Werbezwecken deshalb angemessen, weil sie kohärent ist mit den Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes. Auch dort ist eine Widerspruchslösung verankert, weil grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass es im Interesse eines Kunden liegt, von Firmen, bei denen er bereits etwas gekauft hat, erreicht werden zu können, auch zum Zwecke der Werbung.
Stellen Sie sich z.B. folgende Situation vor: Vor einem Möbelhaus steht ein teurer Neuwagen einer renommierten Automarke. Man kann ihn gewinnen, wenn man ein Preisrätsel im Postkartenformat ausfüllt – selbstverständlich unter Angabe seiner vollen Postadresse. Wenn Sie vergleichbare Situationen beobachten, werden Sie feststellen, dass sehr viele mündige Bürger hierbei gern mitmachen und mit Wissen und Wollen ihren Namen und Adresse angeben. Auf diese Art wird ein Datensatz gewonnen, der MEHR als nur Namen und Adressen enthält, nämlich die Information, dass die Betreffenden sich erstens für Möbel und zweitens für Autos interessieren. Derartige Zusatzinformationen bilden naturgemäß erst die Grundlage für gezielte Werbemaßnahmen. Genau solche Zusatzinformationen kann jedoch keine Meldebehörde liefern, weil sie es erstens nicht dürfte und zweitens solche Informationen über persönliche Interessen und Konsumgewohnheiten gar nicht hat.
Ausdrücklich möchte ich betonen, dass es bei der Melderegisterauskunft nicht um Daten geht wie Telefonverbindungen, Emailadressen, Bankverbindungen, Gesundheitsinformationen, Konsumgewohnheiten etc., sondern allein um die Postanschrift.
Kurzes Nachdenken führt also zu der Einsicht, dass ein Zufallsabruf von Adressen bei der Meldebehörde für Werbetreibende keinerlei Sinn machen würde. Die Kosten von mindestens 5 Euro pro Adresse (Kommunalgebühren) wären höher als der Erwartungswert künftiger Bestellungen, ganz abgesehen von Druck- und Versandkosten. Außerdem kommt ein solcher Zufallsabruf bei den Meldeämtern schon deshalb nicht in Frage, weil man für eine Abfrage ja bereits einen vollen Namen und eine weitere Information zur Identifizierung braucht.
Die Realität ist daher folgende: Wer seinen Namen nie bei Rabattkarten, Gewinnrätseln, Verbraucherbefragungen etc. preisgibt und bei allen Einkäufen auf Rechnung (z.B. Versandhandel) immer von seinem Recht Gebrauch macht, die weitere Nutzung und Weitergabe seiner Adresse zu Werbezwecken zu untersagen, oder zumindest im Nachhinein seinen Widerspruch zu erklären, der wird in der Praxis keine namentlich adressierte Werbung erhalten. Wenn dies doch der Fall sein sollte, kann er von seinem Recht Gebrauch machen, die Herkunft seiner Daten beim Versender der Werbung zu erfragen und ggf. einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz zur Anzeige bringen. Jedenfalls ist das ganze Rechtsverhältnis zwischen dem Bürger und den Gewerbetreibenden im Bundesdatenschutzgesetz umfassend geregelt, insbesondere in § 28 Abs 4 BDSG.
Die Meldebehörde kommt erst ins Spiel, wenn ein Unternehmen mit Billigung bzw. Zutun des Bürgers zwar rechtmäßig in Besitz der Adresse gelangt ist, jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Adresse hat, z.B. aufgrund von Postrückläufern oder vielleicht aufgrund ausbleibender Reaktionen vormals guter Kunden o.ä. Hier kann das Unternehmen, wenn es anderweitig nicht fündig wird (z.B. bei www.dastelefonbuch.de), in letzter Konsequenz eine einfache Melderegisterauskunft bei der Meldebehörde beantragen. Dies ist zwar kostspielig, gibt aber Klarheit über die korrekte Adresse im Falle von Zahlendrehern, maschinellen Lesefehlern o.ä. oder (wenn kein Widerspruch vorliegt) über die geänderte Adresse in Folge eines Umzugs zumindest innerhalb der Gemeinde. Dies wurde bislang (im geltenden Recht) nicht als problematisch eingestuft, weil man vor dem Hintergrund des Bundesdatenschutzgesetzes ja davon ausgehen kann, dass die Einwilligung des Bürgers zur Erreichbarkeit durch den Werbetreibenden gegeben ist. Stichwort: Möbelhaus, Auto, Gewinnrätsel etc.
Fazit: Das Melderecht ist weder Ursache des Problems unerwünschter Werbung noch der geeignete Ansatzpunkt, dagegen vorzugehen, weil es letztlich nur zulässt, was auch das Bundesdatenschutzgesetz zulässt. Wohl deshalb hat sich auch bisher, in den letzten Jahrzehnten, noch niemand über die Möglichkeit der einfachen Melderegisterauskunft beschwert, auch nicht Politiker aller Parteien in den Ländern, in denen sie vor Jahren und Jahrzehnten an der Landesregierung beteiligt waren und die bisherigen (Landes-) Meldegesetze hätten ändern können.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl