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Hans-Peter Uhl
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Frage von Sven W. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Sven W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Uhl,

in verschiedenen Online-Medien werden Sie zitiert, daß Adresshändler pleite wären, würden sie 10€ für einen Adressanfrage zahlen müssen. Ausgehend von der Richtigkeit des Zitats habe ich eine Frage an Sie.

Wissen Sie, wie teuer ein Datensatz auf dem freien Markt mit den Daten ist, die die Meldeämter nach der Neuregelung des Meldegesetzes an Adresshändler weitergeben dürfen?

Mich interessiert sehr, wie Sie zu Ihrer Einschätzung kommen.

Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Sven Wagner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Wagner,

Ihre Frage, wie „teuer ein Datensatz auf dem freien Markt“ sei, kann ich leider nicht beantworten. Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, meine Sicht der Dinge etwas deutlicher zu machen.

Zu Beginn eine wichtige Feststellung: Durch die im Bundestag beschlossene Neufassung des Melderechts könnten die Meldeämter keineswegs eine umfangreichere Melderegisterauskunft geben als sie dies nach dem geltenden Melderecht seit Jahrzehnten schon tun können. Bezeichnend ist der Umstand, dass die Medien in ihrer reißerischen Berichterstattung nicht das geltende Recht mit dem neuen Recht verglichen haben, weil sie es (wie meistens) wahrscheinlich auch gar nicht näher kennen. Verglichen wurde nur der ursprüngliche Gesetzentwurf mit dem verabschiedeten, so dass beim Publikum der Eindruck erweckt wurde, das Datenschutzrecht sei gegenüber der geltenden Rechtslage verwässert worden. Richtig ist jedoch das genaue Gegenteil: datenschutzrechtliche Verbesserungen, die sich bisher so nicht in den Landesgesetzen finden (Notwendigkeit einer Zweckangabe bei Abfrage durch das Unternehmen; Erfordernis, den Bürger auf sein Widerspruchsrecht jährlich hinzuweisen; Bußgeldbewehrung dieser Vorgaben).

Richtig ist, dass ich mich für die Beibehaltung der Widerspruchslösung für die Melderegisterauskunft in Bezug auf die Adressnutzung zu Werbezwecken eingesetzt habe. An dieser Opt-Out-Regelung wurde heftige Kritik geübt. Bei dieser Empörungswelle sind die bisher praktizierten Verfahren ebenso außer Acht gelassen worden wie die Geschäftsprozesse von Werbetreibenden, wenn es um die Generierung von Zielgruppendateien geht, mit denen postalische Werbung betrieben wird.

Ich finde die Widerspruchslösung im Melderecht in Bezug auf die Adressauskunft zu Werbezwecken deshalb angemessen, weil sie konsistent ist zu den Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes. Auch dort ist eine Widerspruchslösung verankert, weil grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass es im Interesse eines Kunden liegt, von Firmen, bei denen er bereits etwas gekauft hat, erreicht werden zu können, auch zum Zwecke der Werbung.

Stellen Sie sich z.B. folgende Situation vor: Vor einem Möbelhaus steht ein teurer Neuwagen einer renommierten Automarke. Man kann ihn gewinnen, wenn man ein Preisrätsel im Postkartenformat ausfüllt – selbstverständlich unter Angabe seiner vollen Postadresse. Wenn Sie vergleichbare Situationen beobachten, werden Sie feststellen, dass sehr viele mündige Bürger hierbei gern mitmachen und mit Wissen und Wollen ihren Namen und Adresse preisgeben. Auf diese Art wird ein Datensatz gewonnen, der weit mehr als nur Namen und Adressen enthält, nämlich die Information, dass die Betreffenden sich erstens für Möbel und zweitens für Autos interessieren. Derartige Zusatzinformationen bilden naturgemäß erst die Grundlage für gezielte Werbemaßnahmen. Genau solche Zusatzinformationen kann jedoch keine Meldebehörde liefern, weil sie es erstens nicht dürfte und zweitens solche Informationen über persönliche Interessen und Konsumgewohnheiten gar nicht hat.

Ausdrücklich möchte ich also betonen, dass es bei der Melderegisterauskunft nicht um ‚sensible‘ Daten geht wie Telefonverbindungen, Emailadressen, Bankverbindungen, Gesundheitsinformationen, Konsumgewohnheiten etc., sondern allein um die Postanschrift.

Kurzes Nachdenken führt also zu der Einsicht, dass ein Zufallsabruf von Adressen bei der Meldebehörde für Werbetreibende keinerlei Sinn machen würde. Die Kosten von mindestens 5 Euro pro Adresse (Kommunalgebühren) wären höher als der Erwartungswert künftiger Bestellungen, ganz abgesehen von Druck- und Versandkosten. Nebenbei bemerkt: Ein solcher Zufallsabruf bei den Meldeämtern kommt auch deshalb nicht in Frage, weil man für eine Abfrage ja bereits einen vollen Namen braucht. [Schließlich wird sich kein Adresssammler die Mühe machen, einen Spaziergang durchs Wohngebiet zu machen um Namen zu recherchieren; und wenn doch, dann wüsste er ohnehin zugleich die volle Postanschrift, völlig legal übrigens; aber dies ist nicht realistisch.]

Die Realität ist also folgende: Wer seinen Namen nie bei Rabattkarten, Gewinnrätseln, Verbraucherbefragungen etc. preisgibt und bei allen Einkäufen auf Rechnung (z.B. Versandhandel) immer von seinem Recht Gebrauch macht, die weitere Nutzung und Weitergabe seiner Adresse zu Werbezwecken zu untersagen, oder zumindest im Nachhinein seinen Widerspruch zu erklären, der wird in der Praxis keine namentlich adressierte Werbung erhalten. Wenn dies doch der Fall sein sollte, kann er von seinem Recht Gebrauch machen, die Herkunft seiner Daten beim Versender der Werbung zu erfragen und ggf. einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz zur Anzeige bringen. Jedenfalls ist das ganze Rechtsverhältnis zwischen dem Bürger und den Gewerbetreibenden im Bundesdatenschutzgesetz umfassend geregelt, insbesondere in § 28 Abs 4 BDSG.

Die Meldebehörde kommt erst ins Spiel, wenn ein Unternehmen mit Billigung bzw. Zutun des Bürgers zwar rechtmäßig in Besitz der Adresse gelangt ist, jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Adresse hat, z.B. aufgrund von Postrückläufern oder vielleicht aufgrund ausbleibender Reaktionen vormals guter Kunden o.ä. Hier kann das Unternehmen, wenn es anderweitig nicht fündig wird (z.B. bei www.dastelefonbuch.de), in letzter Konsequenz eine einfache Melderegisterauskunft bei der Meldebehörde beantragen. Dies ist zwar kostspielig, gibt aber Klarheit über die korrekte Adresse im Falle von Zahlendrehern, maschinellen Lesefehlern o.ä. oder (wenn kein Widerspruch vorliegt) über die geänderte Adresse in Folge eines Umzugs innerhalb der Gemeinde. Dies wurde bislang (im geltenden Recht) nicht als problematisch eingestuft, weil man vor dem Hintergrund des Bundesdatenschutzgesetzes ja davon ausgehen kann, dass die Einwilligung des Bürgers zur Erreichbarkeit durch den Werbetreibenden gegeben ist. Stichwort: Möbelhaus, Auto, Gewinnrätsel etc.

Fazit: Das Melderecht ist weder Ursache des Problems unerwünschter Werbung noch der geeignete Ansatzpunkt, dagegen vorzugehen, weil es letztlich nur zulässt, was auch das Bundesdatenschutzgesetz zulässt. Wohl deshalb hat sich auch bisher, in den letzten Jahrzehnten, noch niemand über die Möglichkeit der „einfachen Melderegisterauskunft“ beschwert, auch nicht Datenschützer, auch nicht Politiker aller Parteien in den Ländern, in denen sie vor Jahren und Jahrzehnten an der Landesregierung waren und die bisherigen (Landes-) Meldegesetze hätten ändern können.

Mit freundlichen Grüßen
Uhl