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Hans-Peter Uhl
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Frage von Thilo S. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Thilo S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Uhl,

mit großer Sorge habe ich Ihre Rede vom 26. Januar 2012 zur Kenntnis genommen und bin entsetzt darüber, wie leichtfertig Sie mit der Begrifflichkeit "Antisemitismus" umgehen.
Ist man denn gleich ein Antisemit, nur weil man sich zu einer Israel - kritischen Haltung positioniert, die dessen Politik begründet ist?
Ist nicht eigentlich ein Antisemit jemand, der feindlich der Religion des Judentums gegenübersteht?
Inwieweit überlappen sich also Ihrer Meinung nach Antisemitismus und die soeben von mir beschriebene Israelkritik?

Vielen Dank für Ihre Antwort

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schepel,

die religiös motivierte Judenfeindlichkeit, die - ausgehend von (scheinbaren?) Christen - in früheren Jahrhunderten eine unselige Rolle gespielt hat, heute im Christentum jedoch zum Glück (weitestgehend) überwunden ist, nennt man Antijudaismus. Davon wird als historisch jüngeres Phänomen der Antisemitismus (seit 19. Jahrhundert) unterschieden, der sich für religiöse Aspekte eher wenig interessiert.

Ich zitiere aus dem Brockhaus (→ Antisemitismus):

„Mit der Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Strukturen in Europa in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (Herausbilden der modernen Industriegesellschaft, Erstarken des Nationalstaats, Aufkommen des Nationalismus) entstand eine neue, stärker politische, vornehmlich aber auf die vermeintliche »biologische« Herkunft abzielende Judenfeindschaft. Dieser moderne (völkisch-rassistische) Antisemitismus ist die säkular gewordene Form der traditionellen Judenfeindschaft; sie richtet sich primär gegen den Menschen jüdischer Herkunft, erst sekundär gegen den Angehörigen der jüdischen Religion. Auch ein zum Christentum übergetretener Angehöriger der jüdischen Religion wird von dieser Art des modernen Antisemitismus als Jude abgelehnt. Der moderne Antisemitismus ist […] auch eine Reaktion auf die anbrechende Moderne insofern, als er mittels verzerrter Bilder von Juden und der Behauptung einer jüdischen Herrschaft die komplex gewordene Welt mittels so genannter Verschwörungstheorien zu erklären sucht. Die mit den Juden in Verbindung gebrachten Vorstellungen von Verschwörung erfuhren v. a. im ausgehenden 19. Jahrhundert große Verbreitung. […] In Russland wurde am Ende des 19. Jahrhunderts eine Fälschung fabriziert, die Protokolle der Weisen von Zion, in denen die Absicht einer jüdischen Weltherrschaft behauptet wird. Die »Protokolle« haben ein langes Leben; sie dienten den Nationalsozialisten als nachhaltiger Beweis und genießen heute wieder weite Verbreitung – auch in Ländern wie Japan, die keinerlei Berührung mit Juden hatten. Zudem finden die »Protokolle« auch und gerade in der arabischen Welt weiteste Verbreitung.“

Heute drücken sich antisemitisch orientierte Menschen gern im Stilmittel der ‚Israelkritik‘ aus. Denn Kritik an der problematischen Politik der israelischen Regierung gegenüber dem Autonomiestreben der Palästinenser ist natürlich grundsätzlich völlig legitim. Es gibt jedoch Formen der Israelkritik, die dem Nahostkonflikt unter allen Übeln der Welt eine unverhältnismäßige Sonderrolle zuweisen und in einseitiger Weise in Israel eine ‚imperialistische‘ Weltverschwörung am Werk sehen. Solche Sündenbocktheorien fügen sich ein in traditionelle antisemitische Denkmuster; es geht dann also nicht darum, sachlich und objektiv Kritik an Israel zu üben, sondern darum, ‚den Juden‘ ihre vermeintlich generelle Rolle als Stifter von Ungerechtigkeit und Unfrieden auf der Welt vorzuhalten.

Näheres zum Thema Antisemitismus können Sie in dieser jüngst veröffentlichten Studie nachlesen:
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/Politik_Gesellschaft/EXpertenkreis_Antisemmitismus/bericht.pdf?__blob=publicationFile

Zum Thema Antisemitismus bei der Linkspartei verweise ich auf meine Plenarrede vom Mai:
http://www.cducsu.de/Titel__rede_es_ist_unsere_historische_verantwortung_dass_wir_jede_form_von_antisemitismus_in_diesem_haus_in/TabID__1/SubTabID__2/InhaltTypID__2/InhaltID__18852/Inhalte.aspx

Mit freundlichen Grüßen
Uhl