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Hans-Peter Uhl
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Frage von Martin H. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Martin H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

in einer Pressemitteilung der CSU-Landesgruppe vom 6. 9. 2011 wird auch unter Ihrem Namen behauptet:

"Es kann im Internet ebenso wie in der realen Welt kein grundsätzliches Recht auf Anonymität geben. [...] Wir brauchen eine solche Kultur der Offenheit und keine Foren oder Netzwerke, in denen man sich feige in die Anonymität flüchten kann." (< http://bit.ly/qNoa3I >)

Der BGH schreibt in einem Urteil vom 27. 3. 2007 (VI ZR 196/ 08, nachzulesen z. B.
hier < http://lexetius.com/2009,1764 >) dagegen:

"Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar. Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde [...] die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden (vgl. Ballhausen/Roggenkamp K&R 2008, 403, 406)."

Können Sie mir den für mich offensichtlichen WIderspruch erklären?

Freundlichen Dank für Ihre ´Antwort
Martin Hofmann

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Hofmann,

das Urteil bzw. die Passage betrifft die Frage, ob auch anonyme Äußerungen dem Schutz des Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG unterfallen. Dies ist unbestritten der Fall.

Aus Artikel 5 GG folgt aber kein unbedingtes und umfassendes Recht auf Anonymität im Internet. Schließlich ist auch die Pflicht zur Angabe eines Impressums kein Eingriff in Artikel 5 GG.

Geboten scheint mir eine differenzierte Sichtweise. Zum einen ist zu fragen, wem gegenüber eine Anonymität zu ermöglichen ist (etwa gegenüber dem Kommunikationspartner oder gegenüber privaten Dritten). Zum anderen ist zu fragen, für welche Bereiche ein legitimes Interesse an Anonymität bestehen kann.

Soweit Anonymität im Internet umfassenden Charakter annimmt, führt dies u.a. zu einer Vielzahl teilweise gravierender, negativer Erscheinungen: Kriminalität, Mobbing, Bedrohungen usw. Dies kann eine rechtsstaatliche Gesellschaft auf Dauer nicht tatenlos hinnehmen. Da das Internet kein rechtsfreier Raum ist, muss auch die Möglichkeit bestehen, die Begehung von Straftaten bzw. die Verletzung von Rechten der Bürger zu ahnden. Dazu gehört wesentlich, die Identität von Rechtsverletzern – so wie in der analogen Welt auch – im Falle des Falles rekonstruieren zu können.

Auf einem völlig anderen Blatt steht die Diskussion um den ‚Klarnamenszwang‘ auf Online-Foren. Ich befürworte Klarnamen, weil ich damit ein formal und inhaltlich gehobeneres Niveau der Kommunikation verbinde (etwa in Analogie zu Leserbriefen). Ich sehe auch in einem freien Land wie dem unseren keinen gewichtigen Grund, warum die Teilhabe am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess systematisch und vorrangig unter Verwendung von Tarnnamen erfolgen sollte. Eine Rechtspflicht zu Klarnamen habe ich jedoch nicht gefordert.

Mit freundlichen Grüßen
Uhl