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Hans-Peter Uhl
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Frage von Dirk P. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Dirk P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Abend Herr Uhl,

bei Ihrer Antwort auf die von Herrn Bach gestellten Fragen sind Sie nicht wirklich auf seine Punkte eingegangen:

1) Der erste von Ihnen gelistete faz.net-Link verweist auf einen Artikel, welcher die Ansichten eines LKA-Chefs schildert. Gefragt waren aber Quellen, welche explizit nicht aus dem Bereich der Polizei / Ermittlungsbehörden stammen.

2) Der zweite Faz-net-Link verweist auf einen Artikel, den man nicht lesen kann, da er nicht frei zugänglich ist.

3) Ihrem verlinkten Artikel auf der Website des deutschen Richterbundes ist in keiner Weise eine Empfehlung für eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung ohne richterlichen Vorbehalt zu entnehmen.

Alle diese drei von Ihnen genannten Quellen sind in meinen Augen keine richtigen Argumente sondern Meinungen und Kommentare, da soweit für mich einsehbar (siehe Punkt 2), ohne Datenbasis oder sonstige Datenerhebungen Behauptungen aufgestellt werden.

Was mich an der Diskussion bisher am meisten wundert ist: Würden Sie es nicht für sinnvoller halten die Polizei von der Personalstärke her aufzurüsten? Was glauben Sie, wird einen Amokläufer, den nebenbei bemerkt auch die norwegische Vorratsdatenspeicherung nicht aufhalten konne, eher stoppen?

a) eine Polizei, die nicht erst nach 55 Minuten vor Ort ist, sondern deutlich früher oder

b) eine Vorratsdatenspeicherung, die Kosten im mehrstelligen Millionenbereich verursachen wird, aber in Bezug auf die Aufklärung die Effizienz nur um 0,006 Prozent steigert, wie eine Studie des BKA (!) ergab:

"Kronzeuge der Vorwürfe ist ausgerechnet eine Studie des Bundeskriminalamts, nach der die Vorratsdatenspeicherung die durchschnittliche Aufklärungsquote "von derzeit 55 % im besten Fall auf 55,006 %" erhöhen kann.
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Vorratsdatenspeicherung-fuer-eine-0-006-Prozentpunkte-hoehere-Aufklaerungsquote-151466.html

Gespannt auf Ihre Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüße,

Dirk Poe

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Poe,

ich nehme zur Kenntnis, dass es für Sie technisch und/oder finanziell eine unüberwindliche Hürde darstellt, sich via ClickandBuy einen FAZ-Artikel zu besorgen. Im Übrigen ist Ihre Vorhaltung falsch, dass nur „Quellen, welche explizit nicht aus dem Bereich der Polizei / Ermittlungsbehörden stammen“, gefragt gewesen seien. Vielmehr hatte Herr Bach nach Befürwortern gefragt, die nicht „dem Unionsdunstkreis oder den Polizeigewerkschaften“ angehören; Entsprechend bin ich in meiner Antwort an Herrn Bach verfahren.

Die grundsätzliche Erforderlichkeit der ‚Vorratsdatenspeicherung‘ wurde wiederholt von Fachleuten der Bundes- und Landeskriminalämter, implizit durch diverse Urteile des BGH und explizit durch Stellungnahmen des Deutschen Richterbunds dargelegt. Hier eine kleine Auswahl an Fundstellen:
https://www.bka.de/nn_196810/sid_2D68B317FDD90DD465B115C6C1D96E55/DE/ThemenABisZ/Mindestspeicherfristen/mindestspeicherfristen.html?__nnn=true
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=55583&pos=0&anz=1
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=8055d9b59931d9a0ec9a6a04151c6fa2&nr=55379&pos=0&anz=1
http://www.focus.de/politik/deutschland/vorratsdatenspeicherung-richterbund-will-rasche-neuregelung_aid_641630.html

Aber darauf kommt es inzwischen gar nicht mehr vorrangig an. Entscheidend ist das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches eine Mindestspeicherungsfrist für Verkehrsdaten der Telekommunikation als legitim und sachgerecht gebilligt hatte. Darauf habe ich an anderer Stelle bereits hingewiesen:
http://www.theeuropean.de/hans-peter-uhl/7775-vorratsdatenspeicherung-in-deutschland

Zur Frage der Messbarkeit der Effizienz bzw. Effektivität möchte ich folgendes zu bedenken geben:
• Wenn wegen fehlender Vorratsdaten bereits die Einleitung eines Verfahrens nicht erfolgt (was wegen der anzunehmenden Erfolglosigkeit häufig der Fall sein dürfte), findet dies in der Statistik naturgemäß keinen Niederschlag.
• Da die Statistik im Bereich der IuK-Kriminalität ohnehin nur mit Vorsicht zu genießen ist (ein einziges Großverfahren kann zur völligen Verzerrung eines jährlichen Vergleiches führen, sehr hohe Dunkelziffer), gilt dies natürlich auch für Aussagen zur Aufklärungsquote.
• Tatsache ist, dass die Polizei eine Vielzahl anschaulicher Beispiele genannt hat, darunter schwere Verbrechen einschließlich mehrerer Morde. Diese Taten sind bislang unaufgeklärt geblieben, da die Kenntnis der Verkehrsdaten bzw. die Zuordnung einer IP-Adresse zu einer natürlichen Person die zentralen oder gar einzigen Ermittlungsansätze gewesen wären, die aufgrund fehlender Speicherung bzw. rechtlicher Abfragebefugnis jedoch ins Leere liefen.
• Zwar lässt sich anhand dieser Beispiele die Notwendigkeit der Verkehrsdatenspeicherung nicht statistisch belegen, weil niemand wissen kann, ob eine Datenabfrage – seit dies nicht mehr möglich ist – im einzelnen tatsächlich zur Aufklärung des Verbrechens geführt hätte. Umgekehrt führte eine Verkehrsdatenabfrage bzw. eine Bestandsdatenauskunft zu der Zeit, als dies noch rechtlich zulässig und technisch möglich war – vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im März 2010 –, aus einzelfallspezifischen Gründen natürlich nicht automatisch schon zur Aufklärung der Straftat.
• Jedenfalls gibt es weder sachlogisch noch statistisch einen seriösen Gegenbeweis zu der These, dass die Speicherung und Abfrage von Verkehrsdaten offensichtlich eine naheliegende und im Einzelfall dringend gebotene Ermittlungsmaßnahme wäre.

Zu alledem verweise ich auf die Auskünfte des BKA:
http://www.bka.de/nn_233982/DE/ThemenABisZ/Mindestspeicherfristen/PKSundAufklaerungsquote/pksUndAQ__node.html?__nnn=true

Mit freundlichen Grüßen

Uhl