Portrait von Hans-Peter Uhl
Hans-Peter Uhl
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Hans-Peter Uhl zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gunnar W. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Gunnar W. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Uhl,

als Reaktion auf den Amoklauf in Norwegen fordern Sie in der "Passauer neuen Presse" die Einführung der Vorratsdatenspeicherung:

http://www.pnp.de/nachrichten/deutschland_und_welt/179763_Nach-Massaker-in-Norwegen-Ruf-nach-Vorratsdatenspeicherung.html

Könne Sie mir bitte darstellen, inwiefern nach Ihrer Vorstellung eine Vorratsdatenspeicherung den Amoklauf in Norwegen irgendwie beinflusst hätte?

Wie hätte eine Vorratsdatenspeicherung diese Tat verhindern können, wie Sie es in der Passauer neuen Presse behaupten?

Mit freundlichem Gruss

Gunnar Wardenbach

Portrait von Hans-Peter Uhl
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Wardenbach,

für Ihre sachliche Rückfrage herzlichen Dank.

Natürlich kann eine Mindestspeicherungsfrist für Verkehrsdaten der Telekommunikation (‚Vorratsdatenspeicherung‘) nichts mehr nützen gegen einen zur Tat entschlossenen und vorbereiteten Terroristen. Schließlich ist eine solche Speicherungsfrist kein Wundermittel, das es erlauben würde, einem Gewaltverbrecher seine Tatabsicht plötzlich an der Stirn abzulesen. Wenn es sich um einen Einzeltäter handelt, könnte man durch Überwachung der Telekommunikation naturgemäß auch keinem Netzwerk auf die Spur kommen, das die konkrete Tat gemeinschaftlich planen würde. Letzteres könnte man ohnehin nur dann, wenn die potentiellen Täter bereits zuvor ins Visier der Gefahrenabwehrbehörden geraten sind. Allein die rechtliche Möglichkeit, gespeicherte Verkehrsdaten seitens der Polizei abrufen zu können, hilft insoweit also noch gar nichts.

Der Zusammenhang ist indirekter, erscheint mir aber gleichwohl wichtig:

Zu den entsetzlichen Mordtaten in Norwegen gibt es Berichte, wonach sich die ideologische Verblendung des Täters wesentlich über extremistische Inhalte im Internet zugespitzt habe. Dies war auch bei dem islamistischen Anschlag am Frankfurter Flughafen im März diesen Jahres der Fall. Man könnte also sprechen vom Einzeltäter in einem Netzwerk von Gesinnungsgenossen (nicht Mittätern).

Natürlich wäre es Unsinn, ‚dem Internet‘ dafür pauschal eine ‚Schuld‘ zuzuweisen. Das Internet an sich ist natürlich nicht ‚böse‘. Aber in einer wehrhaften Demokratie sollte es schon möglich sein, den Austausch von besonders extremistischem Gedankengut wirksam zu unterbinden und die Urheber zur Rechenschaft zu ziehen. Angesichts des geltenden Strafrechts, insbesondere § 130 Absatz 1 StGB bedarf es dazu grundsätzlich keiner neuen Gesetze. („Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder 2.die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet […]“)

Entscheidend sind die fachlichen Maßstäbe der Strafrechtsexperten, die dazu den Bereich legitimer Meinungsfreiheit naturgemäß sehr weit auslegen. Schließlich darf es in einer offenen Gesellschaft auch nicht dazu kommen, eine Überwachungs- und Verdächtigungskultur gegen alle möglichen ‚missliebigen‘ Standpunkte zu entwickeln. Im Gegenteil: Polizeiliche Gefahrenabwehr und Strafverfolgungsbehörden müssen sich auf das Wesentliche beschränken, also auf eindeutige Verstöße gegen Strafrechtsnormen. Und dies geschieht ja auch ohne Zweifel.

Die Frage ist nur, ob in solchen gravierenden Fällen eine effektive Sanktionierung regelmäßig möglich ist. Nach allem, was ich von Kriminalisten erfahre, wäre eine gesetzliche Mindestspeicherungsfrist für Verkehrsdaten der Telekommunikation in dieser Beziehung zwar gewiss kein Allheilmittel, aber doch ein wichtiger Ansatz, um die erforderlichen Ermittlungen mit Erfolg führen zu können. In diesem Zusammenhang habe ich bereits in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht, worauf es mir ankommt:
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_hans_peter_uhl-575-38015--f265527.html#q265527
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_hans_peter_uhl-575-38015--f271091.html#q271091
http://www.uhl-csu.de/dialog/veroeffentlichungen?entryid=38&template=detail

Ich wiederhole es gern: Die Verkehrsdatenabfrage zu bestimmten namentlich bekannten Personen ist sicherlich ein weitreichender Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und müsste daher – so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts – sehr restriktiv und rechtsklar geregelt werden. Weil dies nach Auffassung der Gerichts nicht im ausreichenden Maß der Fall war, wurde die bis März 2010 praktizierte Mindestspeicherung verworfen.

Unabhängig von dieser sensiblen Frage – wann sollte eine Verkehrsdatenabfrage konkret erfolgen dürfen? – hätte eine Mindestspeicherung von Verkehrsdaten jedoch einen weiteren, quantitativ viel bedeutenderen Effekt: Nur damit wäre eine Bestandsdatenauskunft (§ 113 TKG) in der Praxis möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat diese mittelbare Nutzung der bei TK-Firmen gespeicherten Daten zwar ausdrücklich für zulässig erklärt. Aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts oder einer konkreten Gefahr dürfe eine solche Auskunft grundsätzlich erfolgen. Auch weiterhin sind TK-Unternehmen also verpflichtet, auf entsprechende Anfragen Auskunft über Bestandsdaten (bspw. Rufnummer/Anschlusskennung, Namen und Anschrift des Anschlussinhabers, Geburtsdatum) zu erteilen. Insbesondere in Fällen von Auskunftsersuchen, die sich auf eine hinter einer dynamischen IP, die in einem eindeutig strafwürdigen Zusammenhang ermittelt wurde, stehende Person richten, können die TK-Unternehmen nur Auskunft geben, wenn sie auf gespeicherte Verkehrsdaten zugreifen können. Nur so ist es ihnen möglich retrograd zu bestimmen, wem eine dynamische IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war. Da aber wegen des BVerfG-Urteils bis zu einer möglichen Neuregelung keine Speicherung der Verkehrsdaten mehr erfolgt, läuft dieser Ansatz regelmäßig ins Leere.

Vor allem um diesen Zusammenhang geht es mir. Anscheinend führt die bloße Erwähnung des Begriffs ‚Vorratsdatenspeicherung‘ aber bei einigen Diskutanten sofort in eine Spirale unkontrollierter emotionaler Äußerungen, die in Beschimpfungen und Diffamierungen abgleiten. Das hat mit einer zielführenden Diskussion um die Sache natürlich nichts mehr zu tun. Aber dies gehört eben leider auch zur lebendigen Demokratie; und um letztere können und müssen wir ja im Ganzen sehr froh sein.

Mit freundlichen Grüßen
Uhl