Frage an Hans-Peter Uhl von Guido L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
heute fand im deutschen Bundestag eine kontroverse Debatte zur (wahrscheinlichen) Lieferung von 200 Leopard 2- Kampfpanzern nach Saudi-Arabien statt (die ich am Fernseher verfolgt habe). Sie meldeten sich dort -als Zwischenredner zu Sigmar Gabriel von der SPD- auch zu Wort. Ihrer Äußerung war deutlich zu entnehmen, dass Sie dem Begehren der saudischen Machthaber nicht abgeneigt gegenüber stehen (obwohl wegen der Geheimhaltung im Bundessicherheitsrat dieses Begehren weder bestätigt noch dementiert wird).
Im Anschluß an die Debatte kam es zu einer von den Oppositionsparteien SPD/LINKE/GRÜNE initiierten Abstimmung, ob derartige Rüstungsexporte überhaupt stattfinden dürfen und ob eine eventuell bereits erfolgte Zustimmung zur Exportgenehmigung für 200 Leopard 2- Panzer (Ausführung A7+) nach Saudi-Arabien durch den Bundessicherheitsrat zu revidieren sei (die Anträge wurden mehrheitlich mit den Stimmen der CDU/CSU/FDP- Parlamentarier abgelehnt).
Meine Fragen:
- Stimmt meine Vermutung, dass Ihr Votum im Bundestag "Pro Exportgenehmigung" lautete?
Falls ja:
- Kann es sein, dass Sie dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) gegenüber grundsätzlich eine große Affinität besitzen? Immerhin sind Sie in einer Ausgabe der KMW- Mitarbeiterzeitung aus dem Jahr 2008 zusammen mit Lehrlingen auf einem Bild zu sehen. Ausserdem liegt die KMW-Zentrale in Ihrem Wahlkreis (München-West).
-Teilen Sie meine Meinung, dass in Staaten, in denen nach unserem (christlichen) Verständnis die Menschenrechte systematisch verletzt und unterdrückt werden, grundsätzlich keine Waffenexporte stattfinden dürfen?
Falls ja:
- Zählen Sie Saudi-Arabien zu einem dieser Staaten?
-Teilen Sie meine Befürchtung, dass Saudi-Arabien im Falle der Lieferung der 200 Leopard 2- Panzer beim Aufkeimen von Unruhen, womöglich schon bei friedlichen Demonstrationen, diese Panzer auch gegen die eigene Bevölkerung einsetzen würde?
Im Voraus Danke für Ihre Antwort!
MfG Guido Langenstück
Sehr geehrter Herr Langenstück,
1.) Es gab keine Abstimmung „Pro Exportgenehmigung“, aber dem Schaufenster-Marketing-Antrag der Oppositionsparteien habe ich natürlich nicht zugestimmt, weil er den Verfahrensstand falsch charakterisierte und in der Sache heuchlerisch war.
2.) Von den unternehmerischen Interessen der Firma KMW bin ich vollkommen unabhängig.
3.) Nein. Eine so strikte Bedingung würde ich nicht in jedem Einzelfall fordern. Gegebenenfalls sollte es als Bedingung ausreichen, dass die Rüstungsgüter in absehbarer Weise nur dem völkerrechtlich legitimen Zweck der Landesverteidigung des betreffenden Landes dienen.
4.) Nein. In Saudi-Arabien liegen die Menschenrechte zwar in vielerlei Hinsicht im Argen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass militärische Mittel gegen friedliche Demonstranten eingesetzt werden.
Zur Erläuterung folgende Hinweise:
Die kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind von Land zu Land sehr unterschiedlich: Wir können – auch wenn dieses Bild jetzt durch die Medien geistert – de facto nicht von einem homogenen arabischen Raum ausgehen. Deshalb sind die Verhältnisse in Ägypten, Libyen, Tunesien und Syrien – die sich auch schon stark voneinander unterscheiden – nicht einfach auf Saudi-Arabien zu übertragen. Es ist nicht erkennbar, dass es dort zu einer vergleichbaren Polarität zwischen der Regierung und einer unzufriedenen außerparlamentarischen Opposition kommt. Auch ist nicht absehbar, dass dort der Einsatz militärischer Mittel gegen die eigene Bevölkerung droht. Wer dies jetzt einfach behauptet, betreibt nichts als Spekulation und Katastrophensehnsucht.
Unabhängig von Saudi-Arabien stellt sich zunächst die Grundfrage, warum überhaupt noch militärische Waffen hergestellt gegebenenfalls in andere Länder exportiert werden. Schließlich träumen wir alle von einer besseren Welt ohne Kriege. Wir dürfen jedoch nicht übersehen:
- Bis auf weiteres ist die Welt in Nationalstaaten aufgeteilt, die ihre eigenen Interessen haben.
- Die Staaten sorgen vor für ihre Landesverteidigung, um nicht erpressbar zu sein durch auswärtige Mächte, die einen begehrlichen Blick auf die Reichtümer des Landes gerichtet haben.
- Das gilt insbesondere für Länder, die wirklich Reichtümer haben – so wie Saudi-Arabien, das über die größten Ölvorräte der Welt verfügt.
Solange wir also nicht in einer idealen Welt leben, ist es einfach Teil der Realität, dass die Nationalstaaten bewaffnete Streitkräfte zu ihrer Verteidigung aufstellen. Das ist auch völkerrechtlich nicht zu beanstanden.
Übrigens: Der Ost-West-Konflikt, der unserem Land eine Frontstellung zugewiesen hatte, konnte zum Glück friedlich beendet werden – nicht trotz, sondern weil wir eine starke Bundeswehr (u.a. mit Leopard-Panzern) hatten: Das erfolgreiche Konzept lautete Frieden durch militärische Abschreckung und Verhandlungen, also nicht NUR durch freundliche Verhandlungen, was vielen Zeitgenossen jedoch leider nicht mehr in Erinnerung ist.
Rüstungsgüter zu exportieren kann also punktuell durchaus einen produktiven Beitrag für Stabilität und Frieden in der internationalen Politik leisten,
- wenn der Export an Länder geht, die ein berechtigtes Interesse haben, ihre Fähigkeit zur Landesverteidigung sicherzustellen,
- sofern nicht erkennbar ist, dass diese Länder ihrerseits aggressive Ziele gegenüber ihren Nachbarn hegen,
- und natürlich sofern diese Länder unsere Sicherheit oder die Sicherheit eines unserer Partnerländer nicht bedrohen.
Diese Bedingungen erfüllt Saudi-Arabien grundsätzlich.
- Es liegt im Einflussbereich einer unberechenbaren Regionalmacht: Iran
- Weder Israel noch die USA sehen sich von Saudi-Arabien bedroht.
- Es liegt in Nachbarschaft des Jemen, dessen Entwicklung ungewiss ist. Womöglich droht hier ein failed state, in dem der internationale Terrorismus eine neue Basis findet.
- Saudi-Arabien ist eines der wohlhabendsten Länder der Welt. Es ist nicht erkennbar, welchen Vorteil es aus militärischen Expansionsplänen erwarten sollte.
All dies ist zu bedenken. Andererseits muss in die Abwägung auch die innere Verfassung des Landes Eingang finden: Diese ist in Saudi-Arabien natürlich aus unserer Sicht alles andere als zufrieden stellend.
- Der Alltag ist von religiösem Zwang geprägt.
- Eine demokratische Ordnung fehlt völlig.
- Das Land hat – gelinde gesagt – allerhöchsten Reformbedarf.
All dies wird von der Bundesregierung auch in allen Gesprächen immer wieder deutlich gemacht. Gleichwohl hat sich Deutschland für den Weg der Partnerschaft entschieden – übrigens ebenso unter den Außenministern Fischer und Steinmeier:
- Kooperation und Austausch in Wissenschaft und Bildung
- Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus
- Wirtschaftsbeziehungen: Wir importieren Öl, Saudi-Arabien importiert Investitions- und Konsumgüter
Unter dem Strich: Es hat keinen Sinn, Saudi-Arabien zu ignorieren oder zu verteufeln. Das Land spielt – auch für uns – eine zu wichtige politische Rolle, allein bei der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit zum Schutz vor Terroristen. Folglich müssen wir der Regierung in Saudi-Arabien zwar eindringlich sagen, was uns nicht passt und müssen Reformen einfordern und unterstützen. Wir können jedoch nicht erwarten, dass sich das Land und seine Gesellschaft kurzfristig nach unseren Wünschen umgestalten lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl