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Hans-Peter Uhl
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Frage von Klaus M. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Klaus M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

Ich habe eine Frage an Sie in ihrer Funktion als Bundestagsabgeordneter meines Wahlbezirks:

Der Bundestag hatte den deutschen Griechenland-Hilfen zugestimmt. Für das Rettungspaket stimmten am Freitag in Berlin 390 von 601 Abgeordneten vermutlich auch Sie.

Halten Sie diese immer neuen Hilfspakete für zielführend und stehen Sie zu diesen immer neuen Zahlungen und Haushaltsrisiken?.

Es gab eine Klage unter anderem durch den bekannte Ökonom Joachim Starbatty , der wie viele Bürger EU-Recht und Grundrechte durch das milliardenschwere Hilfspaket gefährdet sieht.
Können Sie mir darüber Auskunft geben,wann mit einer Lösung dieser durch die EU verursachten Krise zu rechnen ist und welche Strategie unsere derzeitige Regierung verfolgt Interessen der deutschen Steuerzahler zu wahren?

Vielen Dank und mit besten Grüßen

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Müller,

wir sind leider in einer Phase, wo das Kind schon in den Brunnen gefallen ist: Die Fehler sind bereits gemacht worden als Griechenland in den Euro-Raum aufgenommen worden ist und zudem der Maastricht-Stabilitätspakt aufgeweicht wurde. (An beiden Fehlentwicklungen war übrigens die Bundesregierung aus SPD und Grünen – allen Warnungen und Gegenstimmen der damals oppositionellen Unionsparteien zum Trotz – maßgeblich beteiligt.) Zum jetzigen Zeitpunkt hilft es nicht mehr, altklug eine ‚reine‘ Lehre zu vertreten. Verantwortliche Politik ist jetzt auf pragmatische Abwägungen zurückgeworfen, und zwar in einer hoch diffizilen Gemengelage.

Die derzeit eingeschlagene Strategie verfolgt im Zusammenhang folgende Ziele:
- Griechenland soll durch weitere Überbrückungskredite, die an harte Bedingungen geknüpft sind, seine letzte Chance erhalten, seine staatlichen Strukturen, Wirtschaft und Gesellschaft endlich umfassend zu reformieren.
- Diese Stabilisierung soll kurzfristig eine krachende Insolvenz Griechenlands verhindern, die zu Kapitalflucht und somit zur Ansteckung weiterer schwacher Euro-Länder führen und somit das europäische Bankensystem und mittelbar die Wirtschaftsbeziehungen der Euro-Länder in unabsehbare Turbulenzen bringen könnte.
- Auf diese Art sollen die Bedingungen verbessert werden, dass Griechenland und weitere schwache Euro-Länder ökonomisch wieder einigermaßen Fuß fassen und neues Anlegervertrauen gewinnen können. Nur somit lassen sich die Chancen verbessern, dass eine mittelfristige Umschuldung mit möglichst geringen direkten Abschreibungen und indirekten Kosten für die öffentliche Hand (zumal den deutschen Steuerzahler) verbunden sein werden.

Die Überlegung ist die, dass es günstiger und effektiver sein wird, sozusagen ein krankes ‚Pferd‘ zu pflegen als es erst ‚sterben‘ zu lassen und anschließend zu reanimieren. Zu bedenken ist nämlich, dass auch insolventes und ins Chaos gestürztes Griechenland keinen Zugang zum Kapitalmarkt hätte und auch dann wohl die EZB oder die Euro-Länder wieder neue Kredite gewähren müssten. So erscheint es sinnvoller, auf dem Weg präventiver Hilfskredite aus der Not eine Tugend zu machen und wenigstens mittels der auferlegten Bedingungen die Griechen dazu zu bewegen, endlich mit den notwendigsten Wirtschaftsreformen zu beginnen: Nicht nur der öffentliche Dienst ist zu groß und zu teuer; die öffentliche Verwaltung – etwa die Steuerverwaltung – funktioniert nicht effektiv. Technischer Fortschritt, leistungsfähige Bildung und Ausbildung, Investitionsbedingungen für ausländisches Kapital – all dies liegt im Argen. Wichtig wird hierfür besonders die Privatisierung der bislang unzulänglich geführten Staatsbetriebe, die die griechische Wirtschaft bislang dominieren, sein.

Hierzu möchte ich den insgesamt sehr lesenswerten Gastbeitrag von Bundesbankpräsident Jens Weidmann in der Süddeutsche Zeitung vom 14.6.2011, S.18, zitieren: „Auf keinen Fall darf eine Schuldenrestrukturierung den Druck, die notwendigen Anpassungen durchzuführen, von Griechenland nehmen oder gar als attraktivere Alternative zu Reformen erscheinen.“
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-in-griechenland-die-notenbanken-uebernehmen-keine-weiteren-risiken-1.1108108

Treffend auch der Kommentar in der F.A.Z. vom 14.6.2011, S.24: „Am wichtigsten aber ist es, die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine zu stellen und auf Wachstumskurs zurückzubringen. […] Reformen sind hierfür entscheidend. Vordringlich sind die Privatisierung und Marktöffnung sowie ein effizientes Sozial- und Steuersystem. Weder eine Schuldenstreichung noch eine eigene Währung können Ersatz für diesen Reformweg sein.“

Griechenland muss den unbequemen Weg der ‚internen Abwertung‘ gehen. Hinzu kommen werden ein gezielterer (und kontrollierter) Einsatz der EU-Strukturmittel, um eine industrielle Basis zu fördern (etwa erneuerbare Energien o.ä.).

Empfehlend hinweisen möchte ich auf folgendes Statement eines Ökonomen vom ZEW:
http://www.bayernkurier.de/?id=224&showUid=2402

Ohne Wertung verweise ich auf folgende weitere Standpunkte zum Thema:
http://www.faz.net/artikel/S30638/ezb-chefvolkswirt-juergen-stark-griechenland-erhaelt-eine-letzte-chance-30447602.html
http://www.sueddeutsche.de/video/12988.html

Schlechtere politische Alternativen zum Vorgehen der Bundesregierung können Sie studieren an den Vorschlägen der Oppositionsparteien: Dauerhaft nivellierende Eurobonds (SPD und Grüne), „Griechenland soll nicht sparen müssen, sondern solidarische Hilfe ohne Auflagen erhalten“ (Linkspartei) etc.

Mit freundlichen Grüßen
Uhl