Frage an Hans-Peter Uhl von Marcel U. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
innerhalb der Union gibt es Widerstand gegen eine individuelle Kennungspflicht für Polizisten. Aufgrund der nicht seltenen Fälle von ungerechtfertigter Polizeigewalt, und der Tatsache, dass diese nur äußerst selten juristische Folgen haben, fällt es mir schwer dies nachzuvollziehen.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,705422,00.html
Unterstützen Sie die polizeiliche Kennung, haben Sie alternative Vorschläge zur Bekämpfung von Polizeiwillkür, oder sollen auch in Zukunft Vorkommnisse wie im erwähnten Spiegel-Artikel und im folgenden Video toleriert werden?
http://www.youtube.com/watch?v=W_cG1TVTge4
Des Weiteren möchte ich Ihnen eine Frage bezüglich Hausdurchsuchungen stellen.
Halten Sie den SEK-Einsatz, der im folgenden Link beschrieben wird, für gerechtfertigt? http://web.archive.org/web/20080503101408/http://www.mdr.de/fakt/5039319.html
Welche Möglichkeiten gibt es, die Bürger vor solchen willkürlichen Polizeieinsätzen zu schützen?
Für Ihre Antworten bedanke ich mich im Voraus
Mit freundlichen Grüßen
M. Ullrich
Sehr geehrter Herr Ullrich,
die Frage der Polizei betrifft v.a. die Zuständigkeit der Länder. Aber wenn Sie mich nach meiner Meinung fragen, so lehne ich - auch mit Blick auf die zunehmende Zahl von Angriffen auf Polizeibeamte – eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten ab, zumal für den Bereich des Bundes.
Eine Pflicht zur individuellen Kennzeichnung wäre problematisch für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Polizisten und für den Schutz ihres Privatbereichs und ihrer Familien. Dies gilt gerade auch für Beamte in geschlossenen Verbänden, die häufig in emotionalisierten Lagen wie Fußballfanbegleitung, Schutz von Versammlungen „rivalisierender“ politischer Gruppen oder Demonstrationen zu politisch umstrittenen Themen (z.B. Castor-Transport, Stuttgart 21) eingesetzt werden.
Polizeibeamte stehen bei Großeinsätzen unter medialer Dauerbeobachtung durch die Öffentlichkeit. Kommt zum Bild noch der Name, würde eine Verfolgbarkeit bis ins Private hinein immer leichter möglich. In einzelnen Fällen sind Polizeibeamte nach Einsätzen von Angehörigen der extremistischen Szene im Internet quasi ‚ausgeschrieben‘ worden. Solchen Entwicklungen sollte nicht weiter Vorschub geleistet werden.
Auch ohne die individuelle Kennzeichnung der Beamteninnen und Beamten wird eine bürgernahe und transparente Polizei gewährleistet.
- Die Beamten sind angehalten, auf Verlangen des gegenüberstehenden Bürgers Name, Amtsbezeichnung und Dienststelle zu nennen, sofern der Zweck der polizeilichen Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird. Soweit es aus Gründen der Eigensicherung erforderlich ist, können sich die Beamten auf die Mitteilung der Dienstausweisnummer beschränken, die eine nachträgliche Identifizierung ermöglicht.
- Im geschlossenen Einsatz kann weiterhin eine Legitimation und individuelle Identifizierung über die taktische Kennzeichnung der Einheit und die Einsatzdokumentation erreicht werden.
- Es gibt in der Polizei keine ‚Kultur‘ der Akzeptanz für Fehlverhalten im Dienst. So ist z.B. die Bundespolizei ständig bemüht, durch z.B. die Verbesserung der Stress- und Provokationsresistenz der Beamtinnen und Beamten oder durch eine verbesserte Ursachenerforschung Fehlverhalten im Einzelfall vorzubeugen.
Zu dem von Ihnen zitierten Bericht über einen umstrittenen SEK-Einsatz: Der Bericht erscheint mir wenig aussagekräftig. Wie ging es weiter? Hat der Beschuldigte Rechtsmittel eingelegt? Mit welchem Ergebnis? Wie lautet die Stellungnahme der Polizei? All dies müsste man schon genauer wissen bevor man ein negatives Urteil die Arbeit unserer Polizei nahelegen möchte.
Natürlich weiß ich auch von unverhältnismäßigen und teilweise rechtswidrigen Polizeimaßnahmen. Wenn es dazu kommt ist es zumal für den völlig zu Unrecht getroffenen Bürger eine sehr unerfreuliche Erfahrung. Aber erstens ist dies die seltene Ausnahme von der Regel einer bürgernahen und professionellen Polizeiarbeit und zweitens leben wir einen Rechtsstaat, indem sich jeder seiner Rechte erwehren kann, sich dazu von einem Anwalt seiner Wahl vertreten und polizeiliches Handeln notfalls von unabhängigen Gerichten überprüfen lassen kann.
Bitte tun Sie doch nicht so, als lebten wir in einer Diktatur, in der die Bürger willkürlichen Polizeimaßnahmen ausgesetzt sind. Das hat doch mit der Wirklichkeit in unserem Land nichts zu tun.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl