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Hans-Peter Uhl
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Frage von Christian S. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Christian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Uhl,

in der Pressemeldung der CDU/CSU-Landesgruppe vom 8.9.2010 schreiben Sie, dass das BKA Ihnen "eindrücklich vor Augen geführt [hat], dass ohne eine Mindestspeicherungsfrist der Internetzugangsanbieter für bestimmte Verkehrsdaten (sogenannte Vorratsdaten) keine Ermittlungen zu führen sind". Mich würden hier Details zu dieser eindrücklichen Vorführung interessieren, die Sie zur Meinung hat kommen lassen, nur die Vorratsdatenspeicherung könne bei der Bekämpfung von Internetkriminalität helfen.

Meine Frage wäre daher auch, um welche Straftaten es sich denn genau handelt und in welchen Größenordnungen diese Straftaten nach Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung angestiegen sind. Wie ich gelesen habe, scheint ja vor allem Phishing ein Problem zu sein, wobei dort jedoch die Vorratsdatenspeicherung kaum nötig sein dürfte.

Weiterhin nennen Sie Kinderpornographie als Beispiel. Inwieweit kann die Vorratsdatenspeicherung die Misshandlung eines Kindes verhindern, vor allem, wenn die Straftat vielleicht im Ausland durchgeführt wird. Wäre es nicht sinnvoller, bei den Erst-Tätern anzusetzen? Wäre nicht auch vielleicht Prävention hilfreich? Was sind die Pläne in diesen Bereichen?

Zum Schluss würde mich noch interessieren, wie Sie den Schutz der Bürgerrechte gegenüber der Vorratsdatenspeicherung abwägen.

Mit freundlichen Grüßen,

Christian Scholz

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Scholz,

ich befürchte, dass wir in der Diskussion um Sicherheitsbefugnisse (von Polizei und Justiz) in ein verschwörungstheoretisches Fahrwasser geraten sind. Gern werden Gespenster gesehen, so als stünde eine Überwachungsdiktatur bevor. Ich finde diesen „Generalverdacht“ gegenüber Politik und Behörden sehr unsachlich und ärgerlich. Unsere bisherigen Erfahrungen im demokratischen Rechtsstaat geben dazu keinen Anlass.

Das Bundeskriminalamt hat hingegen sachlich dargestellt, dass ohne die bei den Providern hinterlegten Verkehrsdaten vielfach die nötigen Aufklärungsmittel fehlen: Ohne eine einheitlich geregelte Mindestspeicherungsfrist für die Provider - zur Zeit wird nicht gespeichert - können alle möglichen Straftaten (von schwer bis minderschwer) mit Internetbezug häufig nicht aufgeklärt werden, weil die ermittelten IP-Adressen nicht mehr zugeordnet werden können.

Um dies richtig zu verstehen ist eine Unterscheidung erforderlich: Das Bundesverfassungsgericht - das die Vorratsdatenspeicherung wohlweislich nicht schlechthin verboten hat - hat die Kriterien für den Abruf der Daten durch die Sicherheitsbehörden als zu vage verworfen. D.h. die Übermittlung der personenbezogenen Verkehrsdaten an die Sicherheitsbehörden bedürfte einer noch klareren Bestimmung, die nur die Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten zulässt.

Eine weit niedrigere Schwelle ist - auch nach Auffassung des BVerfG - für den Fall anzusetzen, wenn die IP-Adresse, die bei der Begehung einer Straftat verwendet worden ist, ohnehin schon polizeilich bekannt ist. Dann können seit eh und je - auch bei minderschweren Straftaten - die zugehörigen Verkehrsdaten bei den Providern abgefragt werden, um die verantwortliche Person zu ermitteln.

Es geht also um zwei Konstellationen:
- Gegen eine Person XY wird ermittelt: „Lasst uns mal seine Verkehrsdaten ansehen.“ (Anspruchsvolle Voraussetzungen: Nur bei Ermittlungen in Bezug auf schwerwiegende Straftaten: § 100g Strafprozessordnung; z.Zt. infolge des Urteils des BVerfG v. 2. 3. 2010 im Wesentlichen nichtig).
- Eine bestimmte IP-Adresse ist zweifelsfrei festgestellt worden bei Begehung einer Straftat. Sozusagen als inverse Suche wird mithilfe der Verkehrsdaten die zugehörige Person ermittelt. (Da der Zusammenhang zwischen IP-Adresse und Straftat ohnehin außer Zweifel steht, ist die Nutzung der Verkehrsdaten unter wesentlich leichteren Voraussetzungen möglich: Bestandsdatenauskunft nach § 113 Telekommunikationsgesetz).

Das Problem für die zweite Konstellation ist jetzt nicht, dass man die Verkehrsdaten - sofern vorhanden - nicht abrufen dürfte. Sondern das Problem ist, dass immer weniger Verkehrsdaten von den Providern überhaupt gespeichert werden, weil eine wachsende Zahl von Internetnutzern ihre Gebühren in Form von Pauschaltarifen bezahlt. Ohne eine gesondert angeordnete Speicherung der Verkehrsdaten, welche derzeit bekanntlich fehlt, verläuft somit die Aufklärung von Straftaten zunehmend im Sande. Das Internet wird rechtsfreier als zuvor. Dies ist ein Zustand, der Handlungsbedarf für den Gesetzgeber anzeigt.

Unabhängig von dieser Frage kann Vorratsdatenspeicherung natürlich eine wesentliche Hilfe sein, um die Inverkehrbringung bzw. den Handel oder den nichtkommerziellen Tausch von Kinderpornographie im Internet aufzuklären bzw. um Beweise für eine Strafverfolgung zu gewinnen. Aufklärung und Bestrafung von Konsum und Besitz machen den Missbrauch von Kindern natürlich nicht ungeschehen. Aber Nachfrage schafft neue Produktion, weshalb die Bekämpfung der Nachfrage ein wesentlicher Ansatzpunkt sein muss.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hans-Peter Uhl