Frage an Hans-Peter Uhl von Eva M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Uhl,
eine Ägypterin war von einem Russlanddeutschen als Islamistin und Terroristin beschimpft worden, nachdem sie ihn auf dem Spielplatz aufgefordert hatte, die Schaukel freizumachen. Im Berufungsverfahren in Dresden erstach der Angeklagte die Frau. Der Mann des Opfers, der ihr helfen wollte, wurde durch Messerstiche des Angeklagten sowie den Beinschuss eines Polizisten, der die Szene falsch beurteilte, schwer verletzt. Nach Irrationen in Ägypten war die Frage laut geworden, ob sich u.a. Frau Merkel zu dem Fall äußern sollte.
Ihre Meinung dazu lautet: "Wenn es ein politisches Phänomen wäre, dass typischerweise Russlanddeutsche auf islamische Frauen losgehen, dann müsste sich die Politik äußern". Die Tat sei aber ein Einzelfall. Nun mag es ein Einzelfall sein, dass Russlanddeutsche „auf islamische Frauen losgehen“. Leider aber ein wahrscheinlicher. Auch war Dresden ein wahrscheinlicherer Ort für einen solchen Mord als andere deutsche Städte. Wir haben es hier mit einer Anhäufung von typischen Faktoren zu tun. Einzelne, die es wagen, Rücksichtnahme einzufordern, wenn sich junge Männer oder männliche Jugendliche dreist verhalten, werden leicht Opfer verbaler oder tätlicher Agression. Der oder die Täter haben in der Mehrheit ganz bestimmte Migrationshintergründe und/oder leiden unter ihrem gesellschaftlichen Status. Sie missachten Regeln menschlichen Zusammenlebens und geringschätzen die deutsche Justiz. Das Opfer ist in Ostdeutschland sehr oft ein leicht als solcher auszumachender Ausländer. Dazu kommen bei dieser Tat weitere typische Umstände wie die Art der Beleidigungen, die Fehleinschätzung des Polizisten sowie das geringe Interesse der (ost-)deutschen Öffentlichkeit.
Meine Frage an Sie ist, ob Kriminalstatistiken und Studien meine These von einem sehr typischen Verbrechen nicht stützen, ob Sie also dem Fall die Typizität und damit die politische Relevanz nicht zu Unrecht absprechen.
MfG
Sehr geehrte Frau Martin,
zum Verbrechen selbst: der Mord an der schwangeren Ägypterin im Dresdner Landgericht ist unentschuldbar. Der Täter wird seine gerechte Strafe erhalten. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.
Zur Frage der ‚Typizität’: Natürlich gibt es in Deutschland Ausländerfeindlichkeit, Islamophobie und auch unter Russlanddeutschen Integrationsprobleme. Dies ist so typisch oder untypisch wie die Integrationsdefizite unter muslimischen Zuwanderern: Traditionalistisches Gruppenbewusstsein mit islamischem Anstrich, Mangel an Deutschkenntnissen, die Tendenz zu Parallelgesellschaften, das Verharren im Nationalismus der Herkunftsländer, ein anachronistisches Geschlechterverständnis und ein unklares Verhältnis zu religiöser Gewalt. Vgl. dazu die Studie „Muslime in Deutschland“ (2007): http://www.bmi.bund.de/cln_165/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/DE/2007/Muslime%20in%20Deutschland.html?nn=109632
Mit der Werteordnung des Grundgesetzes sind alle diese Tendenzen natürlich unvereinbar und müssen gesellschaftlich und politisch bekämpft werden: Die Politik muss klare rechtliche Anforderungen formulieren und durchsetzen. Auf der anderen Seite ergibt sich aus dem Grundgesetz die Verpflichtung, die rechtmäßig hier lebenden Zuwanderer auf der Basis einer wertgebundenen, religiös-weltanschaulich neutralen Ordnung zu integrieren. Dies erfordert auch von der Mehrheitsgesellschaft einen differenzierenden Blick auf Muslime. Die von Bundesinnenminister Schäuble ins Leben gerufene Deutsche Islamkonferenz ist der Einstieg in die jahrelang verschleppte Orientierung in diesem komplizierten Verhältnis: Schritte der Einbeziehung sind nötig, um die Integration der muslimischen Bevölkerung als einer Religionsgruppe von staatlicher Seite zu beeinflussen.
Die Politik muss den Mut haben, Integrationsverweigerern mit Sanktionen auf die Sprünge zu helfen. Auf der anderen Seite haben integrationswillige Muslime letztlich Anspruch auf eine Kultur der Anerkennung. Bei der Bemühung um verträgliche Lösungen und ein passables Zusammenleben sind alle gefordert.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl