Frage an Hans-Peter Uhl von Matthias H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
ich beziehe mich auf Ihre Antwort (15.6.) zur Frage von Herrn Müller (4.6.).
Sie schrieben u.a.:"zugleich aber gefordert wird, das BKA solle einfach mal so, ohne die zuständigen Polizei- und Justizbehörden einzuschalten, im Ausland einen web-content löschen lassen."
Hier liegt wohl ein Missverständnis vor, denn weder Herr Müller noch sonst jemand fordert, dass deutsche Behörden im Ausland hoheitlich tätig werden sollen. Die genannte Studie zeigt, dass Hinweise an die Provider völlig ausreichend sind. ( Im Original finden Sie die Studie hier: ww.cl.cam.ac.uk/~rnc1/takedown.pdf ). Es interessiert mich sehr wie Ihre Antwort zu den Fragen 2 und 3 von Herrn Müller unter diesem für Sie neuen Gesichtspunkt lautet.
Weiterhin schrieben Sie:"Da - in der Hälfte aller Staaten die Verbreitung von Kinderpornografie entweder nicht unter Strafe stehen oder nicht ausreichend sanktioniert werden, ...".
Am 11.6. antwortete Staatssekretär Dr. Pfaffenbach auf eine kleine Anfrage wie folgt: "... verfügt die Bundesregierung nicht über rechtsvergleichende Studien zur Strafbarkeit von Kinderpornographie in anderen Ländern." (Drucksache 16/13245). Können Sie für Ihre Aussage eine Quelle nennen? Wo kann man eine Liste dieser Länder finden?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen!
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Henkelmann
Sehr geehrter Herr Henkelmann,
grundsätzlich ist jedes behördliche Tätigwerden ein hoheitliches Handeln. Allerdings besteht – insoweit sind Sie auf der richtigen Spur – nach herrschender Auffassung die Möglichkeit, ein ausdrücklich rein informatorisches Tätigwerden (z.B. des BKA gegenüber einem ausländischen content-provider) nicht als hoheitlichen Akt im völkerrechtlichen Sinne auszulegen.
Genau aus diesem Grund ist mit dem letzte Woche beschlossenen Zugangserschwernisgesetz dem BKA aufgegeben worden, seine bisherige Praxis zu modifizieren: Künftig muss das BKA entsprechend dem Grundsatz ‚Löschen vor Sperren’ innerhalb der EU immer zuerst den Weg der Benachrichtigung einschlagen und darf erst nachrangig, wenn sich dies nicht als rasch zielführend erweist, eine flankierende Sperrung veranlassen. Vgl. §1, Abs. 2 ZugErschG (neu): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/134/1613411.pdf
Außerhalb der EU bleibt es dem BKA nach eigenem Ermessen freigestellt, wie es jeweils taktisch klug vorgehen möchte. In vielen Fällen wird der Einsatz des Internetfilters qua Sperrliste die bevorzugte Methode – bei gleichzeitiger Mitteilung an die zuständige Polizeibehörde im Ausland – sein,
- weil der content-provider nicht immer schnell und zuverlässig ausfindig gemacht werden kann
- und weil es aus kriminaltaktischer Sicht oft nicht ratsam erscheint, den content-provider direkt zu informieren: Wenn er Tatbeteiligter ist, wird er konspirativer handeln und die entsprechenden contents sofort unter neuer Adresse einstellen. Strafrechtliche Ermittlungen von Seiten der zuständigen Behörden im Ausland könnten erschwert werden, wenn der content-provider durch eine Benachrichtigung vorgewarnt wird. (Beachten Sie in genannter Beschlussvorlage den Begründungsteil, Seite 18ff.)
Zur Strafbarkeit von Kinderpornographie im Ausland: Bereits vor einigen Monaten habe ich eine Grafik auf meiner Homepage eingestellt, die darüber Auskunft gibt: http://www.uhl-csu.de/cm/upload/4_grafik.pdf Quelle ist die Organisation International Centre for Missing & Exploited Children (ICMEC):
http://www.icmec.org/missingkids/servlet/PageServlet?LanguageCountry=en_X1&PageId=3085 . Solange an der Seriosität dieser Quelle kein Zweifel besteht, sehe ich keinen Grund, nicht mit diesen Erkenntnissen politisch zu argumentieren. Erst recht sehe ich keinen Grund, warum die Bundesregierung extra eine eigene vergleichende Studie in Auftrag geben sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl