Frage an Hans-Peter Uhl von Jonathan M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
in der Diskussion um die Internetsperren kam immer wieder folgende Frage auf: Weshalb gelingt es privaten Organisationen ohne Probleme durch eine einfache Information an Webhoster innerhalb von wenigen Stunden illegale Seiten vom Netz zu nehmen zu lassen. Auch international. Den deutschen Behörden jedoch scheinbar nicht.
Inzwischen gibt es diesbezüglich wohl eine Antwort. Das BKA informiert ausländische Webhoster überhaupt nicht über kinderpornographische Webseiten auf ihren Servern. Das BKA leitet entsprechende Hinweise zunächst auf dem internationalen Dienstweg an die ausländischen Polizeibehörden weiter, anstatt direkt die Provider zu benachrichtigen. Aus Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten ausländischer Behörden.
Unter anderem aus diesem Grund dauert es im Schnitt über 30 Tage bis kinderpornographische Webseiten die Behörden gemeldet werden aus dem Netz sind. Zum Vergleich: Banken gelingt es, internationale kriminelle Phishing Webseiten innerhalb von durchschnittlich 4 Stunden löschen zu lassen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Camebridge.
http://ak-zensur.de/2009/06/bka-dienstweg.html
Dazu habe ich drei Fragen:
1. Ist Ihnen diese Praxis des BKA bekannt? Können Sie diese bestätigen?
2. Stimmen Sie mir zu, daß diese Praxis des BKA ein Skandal ist und dringend geändert werden muß?
3. Ist es nicht angebracht, das Gesetzesvorhaben aufgrund dieser Erkentnisse vorerst auf Eis zu legen und die Verantwortlichen beim BKA zunächst einmal Rechenschaft über ihre bisherige Praxis ablegen zu lassen? Scheinbar liegt hier keine Gesetzeslücke, sondern ein Versagen der Exekutive vor.
Wenn es privaten Organisationen wie Banken gelingt, innerhalb von wenigen Stunden im Internet ihr Recht durchzusetzen, dann kann es mit den Internet als rechtsfreiem Raum, nicht so weit her sein. Mir scheint inzwischen, das Internet ist nur dann ein rechtsfreier Raum, wenn man nicht weiß wie man es richtig bedient.
Mit freundlichen Grüßen,
Jonathan Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
Zu 1.: Das Bundeskriminalamt unterrichtet bislang ausnahmslos und ausschließlich die zuständigen Stellen, sobald kinderpornographische Inhalte im Internet bekannt werden und deren Herkunft regional zurechenbar ist. Unterrichtet wird im Inland die zuständige Landespolizeidienststelle und bei Auslandsbezug die in dem betroffenen Staat für den polizeilichen Informationsaustausch zuständige Stelle. Dies hat verfassungs- und völkerrechtliche Gründe.
Zu 2.: Ihre Bewertung, dass die bisherige Benachrichtigungspraxis ein Skandal sei, halte ich für völlig abwegig. Das Bundeskriminalamt kommuniziert in nachvollziehbarer Weise grundsätzlich mit den im Ausland für den Informationsaustausch zuständigen Stellen. Jedenfalls soweit mit einer direkten Benachrichtigung die Aufforderung zur Entfernung des Inhalts verbunden wäre, darf das BKA nicht außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes tätig werden. Ich möchte nicht wissen, was es bei uns für eine Aufregung geben würde, wenn z.B. US-Polizeibehörden auf direktem Weg von deutschen content-providern die Löschung von Inhalten verlangen würden. Für mich ergibt es überhaupt keinen Sinn, wenn Kritiker einerseits fordern, für das account-blocking bräuchte es in jedem Einzelfall einen Richter-Vorbehalt, zugleich aber gefordert wird, das BKA solle einfach mal so, ohne die zuständigen Polizei- und Justizbehörden einzuschalten, im Ausland einen web-content löschen lassen.
Die von Ihnen angesprochenen Verbesserungsmöglichkeiten werden übrigens im Rahmen der laufenden Beratungen zu dem von Ihnen angesprochenen Gesetzentwurf diskutiert und es wird darüber nachgedacht, das BKA zusätzlich zu verpflichten, auch den betroffenen Provider im Ausland von der Aufnahme auf die Sperrliste zu unterrichten.
Zu 3.: Nein, Nein und nochmals Nein!
Mit einer Reihe von Staaten arbeitet das BKA erfolgreich bei der Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet zusammen. Zu dieser Zusammenarbeit gehört auch, dass alle Bemühungen unternommen werden, - die Täter im In- und Ausland zu ermitteln und diejenigen, die solches Material vom Ausland aus verbreiten, zu belangen. - kinderpornographische Inhalte, die auf einem Server des betroffenen Staates liegen, schnellstmöglich zu löschen.
Selbst soweit die Zusammenarbeit gut funktioniert, ist das Instrument der Sperrung zusätzlich zum Ziel der endgültigen Entfernung des Inhalts sinnvoll, da die endgültige Entfernung oft einige Zeit in Anspruch nimmt, während die Sperrung spätestens binnen sechs Stunden zu erfolgen hätte, nachdem das Bundeskriminalamt die täglich aktuell erstellte Liste zur Verfügung gestellt hat.
Ich wiederhole, was ich schon mehrfach erklärt habe: Da - in der Hälfte aller Staaten die Verbreitung von Kinderpornografie entweder nicht unter Strafe stehen oder nicht ausreichend sanktioniert werden, und die Maßnahmen zur internationalen Behörden- und Justizzusammenarbeit in vielen Fällen zu langwierig sind, um auf tagesaktuelle Entwicklungen beim entsprechenden Internet-Angebot wirksam zu reagieren, reichen in vielen Fällen die deutschen Behörden zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus. Daher wäre die Sperrung des Zugangs durch deutsche Provider ein verhältnismäßiges und sachgerechtes Mittel zum flankierenden Einsatz.
Wie ich ebenfalls schon mehrfach erklärt habe, spricht überhaupt nichts gegen Bemühungen auf Basis von Privatinitiative, sich um die Löschung entsprechender contents zu kümmern. Der privaten Hand sind hierfür weniger rechtliche und tatsächliche Hindernisse in den Weg gelegt als dem hoheitlichen Handeln der Sicherheitsbehörden. Mein Eindruck ist aber, dass sich private Organisationen für das Problemfeld kinderpornographischer web-contents erst so richtig interessieren, seit über das behördliche account-blocking diskutiert wird.
Mal ehrlich: Wer hat sich denn vor dieser Netfilter-Diskussion darüber beschwert, dass deutsche Sicherheitsbehörden zu wenig tun würden gegen kinderpornographische Internetangebote? Da habe ich nichts gehört. Im Gegenteil: Z.B. Jörg Tauss hat im September 2008 noch erklärt, alles wäre bestens geregelt und es bestünde kein Handlungsbedarf.
Alle Bedenkenträger sollten sich langsam entscheiden: Wollen sie einen konkreten Ansatz, den Kampf gegen Kinderpornographie zu verstärken, lediglich aufgrund diffuser Anti-Staats-Gefühle verhindern oder wollen sie konstruktiv mitarbeiten, möglicherweise noch offene Fragen zu rechtlichen und technischen Details vernünftig zu beantworten?
Mit freundlichen Grüßen
Uhl