Frage an Hans-Peter Uhl von Wilhelm K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
ich habe mich bereits an den Petitionsausschuß des Bundestages gewandt und von dort eine beschämend nichtssagende Antwort erhalten, die Politikverdrossenheit aufkommen lassen könnte.
Es geht um folgendes: Angesichts des immer größeren Schuldenberges des Bundes und der Länder dachte ich laut über die von Art. 23 GG immer noch vorgesehene Neugliederung des Bundesgebietes nach. Die Länder sollen danach ihre Aufgaben selbst erfüllen und finanzieren können, statt am Tropf anderer Länder zu hängen. Bremen z. B. produziert seit langem nur noch Defizite und ist danach nicht allein lebensfähig.
Bei meinen Überlegungen zur Struktur und Geschichte der einzelnen Bundesländer kam ich zu der Auffassung, daß anstelle von 16 Bundesländern ganze 8 genügen würden, zum Beispiel:
1. Bayern,
2. Baden-Württemberg,
3. Rheinland-Pfalz + Saarland + Hessen (Rheinhessen ist ohne-
hin schon bei Rheinland-Pfalz),
4. Sachsen + Thüringen + sächsischer Teil von Sachsen-Anhalt,
5. Berlin + Brandenburg + das ehemals preußische Anhalt,
6. Nordrhein-Westfalen,
7. Niedersachsen + Bremen,
8. Schleswig-Holstein + Hamburg + Mecklenburg-Vorpommern.
Weitere kleinere Korrekturen im Sinne des Bürgerwillens wären dabei nicht ausgeschlossen.
Ich weiß, daß die politische Klasse kein Interesse an einer Neugliederung hat, weil sie an ihren Pfründen hängt und diese nicht verlieren will. Aber bei jeder Wahl komme ich mir da als Bürger von der Politik regelrecht verarscht vor. Ich glaube, es wäre wirklich mal im Interesse der Bürger, von oben (nicht nur unten) mit dem Sparen zu beginnen. Zudem würde bei einer derartigen Neugliederung der Einfluß Bayerns im Bund wieder entsprechend steigen. Damit könnten Sie als CSU-Abgeordneter wohl einverstanden sein.
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl, Sie haben als MdB wesentlich mehr Einfluß auf die Agenda des BT als ich. Was werden Sie also tun, damit mein Anliegen im Bundestag endlich behandelt wird?
Mit freundlichen Grüßen
Wilhelm Kratochwil
Sehr geehrter Herr Kratochwil,
für Ihre interessante Frage herzlichen Dank. Ich stimme Ihnen zu, dass sich unser Föderalismus in den letzten Jahrzehnten unglücklich entwickelt hat. Unter dem Schlagwort ‚Gleiche Lebensverhältnisse’ wurden Elemente gesunden Wettbewerbs unter den Ländern geschwächt und durch einen starken Länderfinanzausgleich Anreize für eigenverantwortliches Wirtschaften ausgehöhlt. Die chronische Finanzschwäche einiger Länder führt wiederum zu Einfallstoren für Bundeskompetenzen in Bereichen, wo der Bund eigentlich nicht hingehört, z.B. die Mitverantwortung des Bundes für die ‚Hauptstadtkultur’ in Berlin. Länder verkommen somit schleichend zu Verwaltungseinheiten und verlieren in den Augen des Wählers politische Autorität.
Ich würde mir auch wünschen, dass wir selbstbewusstere und leistungsfähigere Länder hätten, die ihre Eigenstaatlichkeit verteidigen und zueinander in einen ökonomisch gesunden Wettbewerb um die beste Landespolitik treten. In diesen Zusammenhang gehört natürlich auch das Thema Länderneugliederung.
Ich möchte Ihrer Behauptung widersprechen, dass „die politische Klasse“ dies generell nicht wollte. Schließlich war die Fusion von Berlin und Brandenburg bereits vollständig vorbereitet, scheiterte in den 90er Jahren aber am Widerstand der Bürger in einer Volksabstimmung. Das Problem ist, dass die leistungsschwächeren Fusionskandidaten in der Regel Angst haben, an Einfluss und Mitteln zu verlieren. Die leistungsstärkeren Fusionskandidaten haben hingegen Angst vor zusätzlichen Belastungen – und entsprechenden Wohlstandsverlusten.
Klar: Aus bayerischer Sicht könnte man Fusionen anderer Länder fordern. Dies wäre jedoch gewiss nicht hilfreich, weil es den Willen zur Fusion – dort, wo er sinnvoll sein könnte – eher schwächen dürfte. Genau dort wäre anzusetzen: Der Wille müsste bei den Bürgern der betreffenden Länder, die sich wirtschaftlich und finanziell auf Dauer nicht selbst tragen können, wachsen. Nach Art 29 GG muss jede Länderneugliederung zwar in Form eines Bundesgesetzes erfolgen, die Entscheidung fällt jedoch per Volksabstimmung in den betroffenen Ländern. Solange vor Ort keine ‚politischen Vorarbeiten’ in Gang gekommen sind, wäre jede Initiative im Bundestag kontraproduktiv.
Zum Thema verweise ich auf eine interessante und kluge wissenschaftliche Erörterung:
http://www.uni-potsdam.de/u/PolWi_Dittb/tips/arbeiten/brenk.pdf
Wir haben das Thema Leistungsfähigkeit der Länder auf andere Art aufgegriffen. Die Initiative zur Schuldenbremse im Grundgesetz ist ein klares Signal, dass jedes Bundesland, das auf Dauer bestehen will, lernen muss, auf eigenen Füßen zu stehen. Dazu verweise ich auf die Plenarrede meines Kollegen Dr. Hans-Peter Friedrich: http://www.cducsu.de/Titel__reden/TabID__1/SubTabID__2/InhaltTypID__2/InhaltID__13251/Inhalte.aspx
Ich bedaure, Ihnen im Moment keine günstigere Mitteilung machen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Uhl