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Hans-Peter Friedrich
CSU
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Frage von Martin F. •

Frage an Hans-Peter Friedrich von Martin F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Friedrich,

sie scheinen eine kompetente Persöhnlichkeit zu sein. Was haltet sie von der Idee in Deutschland auf der Bundesebene ein Mehrheitswahlrecht einzuführen, um klare Mehrheiten zu bekommen und um keine Zwangskoalition bilden zu müssen wie jetzt der Fall ist.

Ich meine das Mehrheitswahlrecht wo man nach Präferenzen wählt. Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Instant-Runoff-Voting

Dieses IRV-Mehrheitswahlsystem wird sehr erfolgreich schon in Australien und einigen US-Bundesstaaten angewendet und funktioniert sehr gut.

Was haltet sie davon?

Mfg
Frank

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Frank,

vielen Dank für Ihre Nachricht auf abgeordnetenwatch.de, in der Sie mich nach meiner Einschätzung zu Ihren Wahlrechtsänderungsvorschlägen hinsichtlich des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag bitten. Konkret schlagen Sie vor, in Deutschland auf der Bundesebene ein Instant-runoff-Mehrheitswahlrecht einzuführen, so wie es beispielsweise in Australien angewandt wird.

Die Hauptaufgabe des Parlaments in demokratisch verfassten Staaten besteht darin, zwischen den Konfliktpotentialen, die täglich zwischen vielen widerstreitenden Interessen einer pluralistischen Gesellschaft bestehen, immer wieder aufs Neue tragfähige Kompromisslinien zu vermitteln. Nur so wird auf Dauer die Legitimität unseres demokratischen politischen Systems erhalten und gestärkt.

Da im deutschen Fall das personalisierte Verhältniswahlrecht diese Aufgabe der Konsensfindung bisher sehr gut erfüllt und den gesellschaftlichen Konsens seit Beginn der Bundesrepublik hervorragend befördert hat, sehe ich keinen Grund, dieses bewährte Wahlrechtsystem durch ein anderes zu ersetzen.
Es wäre unter den gegebenen Umständen keinesfalls legitim, das Wahlrecht so massiv zu ändern, wenn dadurch die gewachsenen und durch den Souverän legitimierten, im Parlament vorherrschenden Machtverhältnisse quasi per Gesetz durch die Parlamentsmehrheit selbst durch ein neues Bundeswahlgesetz verändert würden.

Wie oben beschrieben, besteht die Hauptaufgabe der Politik in demokratischen Systemen darin, widerstreitende gesellschaftliche Interessen miteinander in Einklang zu bringen und einem Kompromiss zuzuführen. Im Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland spiegelt sich dieser konsensdemokratische Austausch auch in der Bildung von Koalitionen wider. Durch ein gemeinsames Regierungshandeln wird erreicht, dass bereits im Vorfeld politischer Entscheidungen möglichst viele Betroffene verschiedener Gesellschaftsgruppen in die Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse einbezogen werden können. Koalitionen haben dadurch eine fruchtbare Wirkung auf die Bundespolitik und steigern die Effektivität der Politikergebnisse.

Dabei stellen Koalitionsverträge seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland stets auf die Dauer einer Legislaturperiode ab. Nur in wenigen Beispielen wurde eine Koalition vor dem offiziellen Ende der Legislaturperiode beendet. 11 von 15 Legislaturperioden wurden mit klaren Regierungsmehrheiten begonnen und genau so abgeschlossen. Dass ist ein Ausdruck der außerordentlichen Stabilität unserer Demokratie, auf die das personalisierte Verhältniswahlrecht keine negativen, sondern positive Auswirkungen hat. Die Regierungsfähigkeit war dabei zu jeder Zeit gegeben. Im Gegensatz zu anderen Verhältniswahlsystemen verhindert die 5%-Klausel bei uns zugleich eine Zersplitterung des Parlaments und unterstützt so die Bildung eindeutiger Mehrheiten durch eine begrenzte Anzahl von Koalitionspartnern mit einer notwendigen Mindestgröße und Repräsentativität. Mir ist bewusst, dass dieser sachorientierte Meinungsbildungsdiskurs zwischen den Koalitionspartnern einer Regierung in der Öffentlichkeit oftmals als Zeichen mangelnder Entscheidungsfähigkeit angesehen wird. Doch ohne diese Diskussion der verschiedenen einzubindenden Fachexpertisen und Meinungen wären die Politikergebnisse lange nicht so effektiv, wie sie in Deutschland nachweisbar sind.

Alle demokratischen Parteien, die ihr Handeln auf das Grundgesetz aufbauen und auf seiner Grundlage Politikkonzepte zum Wohle aller Bürger umsetzen möchten, müssen in der Lage sein, den Wählerwillen zu akzeptieren und gemeinsam den bestmöglichsten Kompromiss zur Lösung politischer Herausforderungen und Probleme zu finden. Zwar gibt es dabei je nach Partei und Fraktion unterschiedliche Herangehensweisen bei den Sachfragen, aber von Zwangskoalitionen kann nicht im Entferntesten die Rede sein.

Auch wenn das Instant-runoff-voting die Vergabe von Präferenzen zulässt, und es dadurch - zumindest theoretisch - einigen wenigen Vertretern kleinerer Parteien in diesem Szenario u.U. noch möglich sein könnte, in den Bundestag gewählt zu werden: Eine radikale Umstellung auf ein Mehrheitswahlsystem würde den kleineren demokratisch legitimierten Parteien im Deutschen Bundestag schaden.

Aus der Vielzahl der oben genannten Gründe und den damit einhergehenden Vorteilen, die Koalitionsregierungen für Deutschland bringen und von denen wir alle tagtäglich profitieren, kann ich mich mit Ihrem Vorschlag nicht anfreunden.

Zwar wird gegenwärtig über eine Änderung des Bundeswahlgesetzes diskutiert. Jedoch aus ganz anderen Gründen. Hauptaufgabe der Politik kann und muss es gegenwärtig sein, die Verfassungswidrigkeit der Ausgestaltung der Überhangmandate, die das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, zu lösen, ohne die Repräsentativität und Legitimität der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen in Frage zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Hans-Peter Friedrich MdB

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