Frage an Hans-Peter Friedrich von Rudolf W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Friedrich,
vor drei Jahren wurde ein Forschungsbericht des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht vom Bundestag in Auftrag gegeben um die Wirkung der Zugriffe der Polizei auf Telekom-Verbindungsdaten zu erforschen. Sehen Sie sich dazu den Bericht der taz
http://www.taz.de/nc/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=in&dig=2007%2F11%2F07%2Fa0086&src=GI&cHash=6f3b1bc101"
Dort wird unter dem Titel "Der Bundsetag muß blind entscheiden" festgestellt, dass diese Informationen die vom Bürger bezahlt wurden weder dem Bürger noch den Parlamentariern zur Kenntnis gebracht wurden. Sie mußten davon wissen und haben dennoch mit "Ja" gestimmt.
Meine Frage nun an Sie Herr Friedrich, warum haben Sie mit Ja gestimmt?
Sehr geehrter Herr Wöhrle,
gerne erläutere ich Ihnen, warum ich der Umsetzung der EU-Richtlinie zur sog. Vorratsdatenspeicherung in nationales Recht zugestimmt habe.
Schon heute dürfen die Strafverfolgungsbehörden von Telekommunikationsunternehmen (TK-Unternehmen) Verbindungsdaten abfragen, die zu Abrechnungszwecken gepeichert wurden. Über diese Daten haben die TK-Unternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen.
Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen gesetzlich festzulegen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden.
Nicht zuletzt diese Erwägungen haben das Europäische Parlament und den Rat bewogen, die Richtlinie Nr. 2006/24/EG vom 15.03.2006 zu verabschieden. Der Deutsche Bundestag hat in seinem Entschließungsantrag (BT-Drs. 16/545) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist.
Nur diese Zustimmung zur Richtlinie als Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten hat es ermöglicht, darin Regelungen mit Augenmaß zu verankern (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten)
Mit dem Anfang November im Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie Nr. 2006/24/EG (BT-Drs. 16/5846; 16/6979) wird diese Richtlinie nun in nationales Recht umgesetzt.
Hierbei wird, wie bereits erwähnt, sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrecht in angemessener Weise Rechnung getragen:
- Deutschland wählt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie die nach der Richtlinie kürzestmögliche Speicherfrist von 6 Monaten.
- Es dürfen nur die Verkehrsdaten gespeichert werden. _Inhalte_ der Kommunikation (Telefonat, E-Mail, aufgerufene Web-Seiten bei der Internetnutzung) werden _nicht_ gespeichert.
- Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft über diese Daten ist nach wie vor an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen geknüpft (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat, die mittels Telekommunikation begangen wurde; keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung; Richtervorbehalt).
- Im Strafverfahren ist für die Verbindungsdatenabfrage darüber hinaus künftig ein richterlicher Beschluss notwendig. Nur bei Gefahr im Verzug kann auch die Staatsanwaltschaft die Daten beim TK-Unternehmen abfragen. Die Eingriffshürde für den “Regelfall” wurde mit dem Richtervorbehalt somit sogar _erhöht_.
- Eine anderweitige Verwendung dieser Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, wenn dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist. Eine Verwendung beispielsweise zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist nicht zulässig.
Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ermittlungsinstrumente sollten deshalb aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist. Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein solches Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB