Frage an Hans-Peter Friedrich von Rudolf W. bezüglich Senioren
Sehr geehrter Herr Friedrich,
noch eine Fragen an Sie.
Das umlagefinanzierte Rentensystem besteht seit 1957. Vorher war es ein kapitalgedecktes System. Seit dieser Zeit werden versicherungsfremde Leistungen aus diesem System bezahlt. Das hat aber mit Demoskopie nichts zu tun.
Wie setzen Sie sich dafür ein, diese versicherungsfremden Entnahmen wieder dem Rentensystem zur Verfügung zu stellen?
Rudolf Wöhrle
Sehr geehrter Herr Wöhrle,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage aus dem Bereich Senioren.
Verfassungsrechtlich und rentenpolitisch gehört die Finanzierung der sog. versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherung aus Beiträgen der Pflichtversicherten seit Jahren zu den Schwerpunktthemen der Rentendiskussion.
Nach Erkenntnissen der Deutschen Rentenversicherung nehmen beinahe alle Rentenempfänger in Deutschland nicht beitragsgedeckte Leistungen in Anspruch, wenngleich ihr Anteil an der individuellen Rente sehr unterschiedlich ausfällt. Was genau unter nicht beitragsgedeckt oder versicherungsfremd zu verstehen ist, ist dabei nicht eindeutig definiert, weshalb die Schätzungen zum Ausgabenvolumen sehr unterschiedlich ausfallen.
Insgesamt ist es – unabhängig von einer exakten Einordnung von Leistungen als versicherungsfremd oder versicherungsbezogen - sachgerecht, dass die nicht beitragsgedeckten Leistungen aus dem Steueraufkommen, also gesamtgesellschaftlich mitfinanziert werden. Zum finanziellen Ausgleich erhält die gesetzliche Rentenversicherung daher einen steuerfinanzierten Zuschuss aus dem Bundeshaushalt, den so genannten Bundeszuschuss. Er betrug 2006 schätzungsweise 54,9 Milliarden Euro (gesamter Bundeszuschuss an die allgemeine Rentenversicherung) und wird von der Bundesregierung im Jahr 2010 mit 57,4 Milliarden Euro prognostiziert (siehe BT-Drs. 16/3578 vom 27.11.2006).
Noch in den 70er und 80er Jahren machte der Bundeszuschuss weniger als 20 Prozent der Rentenausgaben aus, obwohl das Volumen der nicht beitragsgedeckten Leistungen deutlich höher lag. Die Beitragszahler mussten demnach in dieser Zeit die nicht beitragsgedeckten Leistungen der Rentenversicherung zu einem erheblichen Teil mitfinanzieren. Im Zusammenhang mit der Rentenreform 1992 wurde der Bundeszuschuss in mehreren Schritten aufgestockt und erreichte 1998 rund 22 Prozent der Rentenausgaben. Darüber hinaus wurde die Fortschreibung des Bundeszuschusses durch das Rentenreformgesetz 1992 auch an die Beitragssatzentwicklung gekoppelt; das heißt bei steigenden Beitragssätzen erhöht sich auch der Bundeszuschuss entsprechend. In Zahlen ausgedrückt stieg der allgemeine Bundeszuschuss von 37,1 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf 37,5 Milliarden Euro im Jahr 2005.
Seit dem 1.4.1998 gibt es einen zusätzlichen Zuschuss zur Rentenversicherung, zu dessen Finanzierung die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt angehoben wurde. Dieser Zuschuss wird von Jahr zu Jahr mit der Veränderungsrate der Steuern vom Umsatz fortgeschrieben. 2005 stieg er auf rund 8,2 Milliarden Euro.
Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Bund seit Juni 1999 Beiträge für Kindererziehungszeiten an die Rentenversicherung zahlt. Die aufgrund dieser Zeiten erworbenen Rentenanwartschaften sind seitdem durch Beitragszahlungen gedeckt. Folgerichtig wurde der Bundeszuschuss entsprechend gemindert. Die Beiträge für Kindererziehungszeiten betrugen 2006 schätzungsweise 11,4 Milliarden Euro.
Um den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung längerfristig zu stabilisieren, hat der Gesetzgeber mit dem "Haushaltssanierungsgesetz" vom 28.12.1999 eine weitere Erhöhung des zusätzlichen Bundeszuschusses durch die Verwendung von Mitteln aus den weiteren Stufen der Ökosteuer vorgenommen. Der Erhöhungsbetrag verändert sich jährlich entsprechend der Entwicklung der Bruttolohn- und Gehaltssumme. Er betrug 2005 knapp 9,2 Milliarden Euro.
Anhand dieser Daten und Fakten ist, so meine ich, der deutliche sozialpolitische Wille des Gesetzgebers zu erkennen, die Rentenversicherung nicht mit den nicht beitragsgedeckten Leistungen alleine zu lassen.
Abschließend möchte ich noch auf einen weiteren Aspekt von zentraler Bedeutung hinweisen: Die gesetzliche Rentenversicherung beruht auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wesentlich auf dem Gedanken der Solidarität ihrer Mitglieder sowie des sozialen Ausgleichs und enthält von jeher auch ein Stück sozialer Fürsorge. Rentenansprüche und Anwartschaften weisen zwar einen hohen personalen Bezug auf. Im Gegensatz zur privaten Alters- und Berufsunfähigkeitsversicherung ist sie jedoch nicht auf Leistungen beschränkt, die durch risikogerechte Beiträge der jeweils Begünstigten finanziert werden. Ein vom einzelnen Versicherten angespartes Kapital, das der Unterscheidung zwischen eigenfinanzierten und fremdfinanzierten Leistungen dienen könnte, ist aufgrund des Umlageverfahrens in der Rentenversicherung nicht vorhanden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Peter Friedrich MdB